Gemeindevertretung schließt Vergütungslücke bei Praktikant*innen

Junge Menschen sind eine der am meisten von unbezahlter und befristeter Beschäftigung betroffenen Gruppen. Ihre Situation hat inzwischen den Ausdruck „Generation Praktikum“ geprägt. Die Gemeindevertretung hat nun einen Antrag der LINKEN beschlossen, der die Situation von Praktikant*innen verbessern soll.

Die Gemeindeverwaltung und die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde Schöneiche bei Berlin sind beliebte Praktikumsorte. Allein in den Jahren 2012 bis 2014 wurden dort 52 Praktika verschiedener Art und Dauer absolviert. Darunter sind Schülerpraktika von wenigen Tagen oder Wochen sowie Praxisphasen im Rahmen der Erzieherausbildung. Letztere werden im Rahmen des Tarifvertrages für Praktikantinnen und Praktikanten im öffentlichen Dienst (TVPöD) mit rund 10,50 Euro pro Stunde vergütet.

Keinerlei geregelte Vergütung erhielten bisher all jene, die ein Praktikum im Rahmen oder zu Vorbereitung eines Studiums oder einer Berufsausbildung durchführen (müssen). Sie sind eine der Lücken, die von der Bundesregierung bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gelassen wurden. Solche Praktika dauern in der Regel mehrere Monate. In dieser Zeit erbringen die Betreffenden zwar meist keine hochqualifizierten Tätigkeiten, doch sie arbeiten oft in Vollzeit und verrichten dabei Zu- und Hilfstätigkeiten. Dafür verdienen sie eine angemessene Vergütung.

So sieht es eine knappe Mehrheit der Schöneicher Gemeindevertretung. Sie beschloss (8 Ja/7 Nein/1 Enthaltung) am 20.07.2017 einen Antrag der Fraktion DIE LINKE (BV 426/2017), der vorsieht, Praktika ab einer Dauer von drei Wochen mit mindestens 300 Euro monatlich, ab einer Dauer von drei Monaten in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns (derzeit 8,84 Euro/Stunde) zu vergüten. Das entspricht einer Empfehlung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Für den Antrag stimmten neben der Linksfraktion u.a. die Gemeindevertreter Andreas Bachhoffer (CDU), Philip Zeschmann (UBS), Erich Lorenzen (parteilos) und Daniel Forster (BBS). Dagegen votierten neben der SPD-Fraktion u.a. auch Bürgermeister Ralf Steinbrück (SPD) und die Gemeindevertreter*innen Lutz Kumlehn (FDP), Karin Griesche (CDU), Bernd Spieler (Feuerwehr). Johannes Kirchner (Neues Forum) enthielt sich.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.linke-schoeneiche.de.

Die Linke
Die Linke hat in Schöneiche rund 60 Mitglieder und parteilose Unterstützerinnen und Unterstützer. In der Gemeindevertretung sind wir derzeit mit 17,5 Prozent der Stimmen bzw. einer Fraktion aus 4 Mitgliedern vertreten.

6 Gedanken zu „Gemeindevertretung schließt Vergütungslücke bei Praktikant*innen

  1. peterkuellmer

    „Keinerlei geregelte Vergütung erhielten bisher all jene, die ein Praktikum im Rahmen oder zu Vorbereitung eines Studiums oder einer Berufsausbildung durchführen (müssen). Sie sind eine der Lücken, die von der Bundesregierung bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gelassen wurden.“ Welche Lücke sollte das denn sein? Nach einschlägiger Information des Bundes, sind nur bildungsrechtliche oder arbeitsmarkpolitische orientierte Praktika nicht nach dem Mindestlohn zu vergüten. Dies folgt einer gewissen Logik, da mit dem Praktika eine bestimmte rechtliche Zielsetzung verfolgt (umgesetzt) wird. Der betreffende Betrieb wird hier zum Handlungsgehilfe (wird in eine bestimmte Orgastruktur eingebunden / ggf. durchbrechen Sie sogar dieses Dreiecksverhältnis mit einer Vergütung, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könnte). Das heißt, es bleibt nur der Jugendliche (U18) bei selbstgewählten Praktika, der verständlicher Maßnahmen nicht dem Mindestlohn unterliegt, weil eine wirtschaftliche Abhängigkeit vermieden werden solle. Wozu also eine solche Vorlage mit der Begründung „Generation Praktikum“? Leider im BI-System von Schöneiche gerade nicht erreichbar.

    • Fritz R. Viertel

      Lieber Herr Küllmer,
      ich bin nicht sicher, ob ich Ihre Argumentation richtig verstanden habe. Dennoch versuche ich, darauf zu antworten und bitte Sie, bei Bedarf erneut zu reagieren.

      Ausgangspunkt des Antrages waren zwei Grundannahmen: (1) Praktikantinnen und Praktikanten, die z.B. im Rahmen ihres Studiums oder ihrer Berufsausbildung oder in Vorbereitung darauf für mindestens drei Wochen bzw. mindestens drei Monate in einem Betrieb bzw. in unserem Fall in der Gemeindeverwaltung oder in gemeindlichen Einrichtungen, leisten dort (ungeachtet ihrer i.d.R. geringeren formalen Qualifikation) Tätigkeiten zur Unterstützung des normalen Betriebsablaufes. Dafür verdienen sie eine finanzielle Anerkennung. (2) Diese Zielgruppe erhält eine solche finanzielle Anerkennung bzw. Vergütung oft nicht, wenn sie nicht unter den TVPöD fällt (also keine Azubis zur Erzieherin/zum Erzieher oder ähnlicher Berufsgruppen sind). Grund dafür ist, dass Praktikantinnen und Praktikanten explizit vom Mindestlohngesetz (MiLoG) ausgenommen worden sind (wie einige andere Beschäftigtengruppen auch). Diese Ausnahmen sind von den Gewerkschaften und der Partei DIE LINKE schon bei Einführung des MiLoG kritisiert worden, eben mit dem o.g. Argument.

      Ich möchte dies noch mit einem persönlichen Beispiel illustrieren: Von Oktober bis Dezember 2015 habe ich im Rahmen meines Studiums ein Pflichtpraktikum absolviert und 40 Stunden/Woche am Deutschen Historischen Institut Paris gearbeitet. Zu meinen Aufgaben gehörten Tätigkeiten, für die sonst studentische Hilfskräfte oder regulär Beschäftigte verantwortlich sind, z.B. Recherchen, Lektorat, Übersetzungen, Pflege von Datenbanken, Servicetätigkeiten u.a.m. Dies alles sind Aufgaben, deren Erledigung keiner höheren formalen Qualifikation bedürfen. Würden regulär Beschäftigte dafür eingesetzt, müssten diese jedoch nach tariflichen und/oder gesetzlichen Regelungen entlohnt werden. Warum nun sollte eine Praktikantin für die gleiche Tätigkeit keinerlei Vergütung erhalten? Letztlich ist es eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

      Mit besten Grüßen
      Fritz R. Viertel (Gemeindevertreter, DIE LINKE)

  2. Erich Lorenzen

    Lieber Fritz,
    wiedermal knapp daneben …
    … ich habe dafür gestimmt!

    Gruß

    Erich

      • Erich Lorenzen

        Auf der Homepage Deiner Partei hast Du den „Hinweis“ gelöscht … dabei war das keine „fake news“ …

        … seit ich Dich kenne, kann ich mir annähernd vorstellen, wie ein „Staat“ funktionieren könnte, in dem eine – selbsternannte – einzige Partei immer Recht hätte, ohne jedes elementare internationale – oder gar Menschenrecht – zur Kenntnis zu nehmen, sobald dies den eigenen (Partei-)Zielen schaden könnte …

      • Anke Winkmann

        Lieber Herr Lorenzen,

        ich kann mich dem nur anschließen!
        Mir scheint, für Herrn Viertel besteht die Welt aus Links oder Falsch.

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