„Wer sich wirklich anstrengt, schafft es auch auf’s Gymnasium“!?

(Artikel/FRV) Heute Abend entscheidet die Gemeindevertretung über den neuen Schöneicher Schulentwicklungsplan. Neben dem Umstand, dass die Grundschule II erweitert werden muss geht es um die Perspektive für eine weiterführende Schule. Wenngleich der Landkreis letztlich entscheidet bleibt die Frage: Will die Gemeinde ein Gymnasium oder eine Schule, die alle Kinder besuchen können?

Position der Gemeinde ist nicht egal

Auch wenn das Kapitel 7 des zweiten Entwurfs des neuen Schöneicher Schulentwicklungsplans (SEP) 2018-2030 inzwischen nur noch den Status eines „Exkurses“ hat ist klar: Ohne die im letzten Jahr aufgetane Chance für eine weiterführende Schule im Ort würde es diesen neuen SEP wohl kaum in dieser Ausführlichkeit geben. Denn der alte galt ebenfalls bis 2030. Und dass die beiden Grundschulen inzwischen ein Raumproblem haben ist auch schon länger bekannt.

Es ist nicht darum herumzureden, dass am Ende nicht die Gemeinde, sondern der Landkreis über die Einrichtung einer weiterführenden Schule entscheidet – einschließlich der Schulform. Doch hat die Gemeinde so wenig Selbstbewusstsein, dass sie glaubt, ihre Position spiele in dieser Frage keinerlei Rolle? Wenn das so ist, wäre eine Bedarfsanalyse für irgendeine Schulform im SEP überflüssig.

Empfehlung für Gymnasium ist unbrauchbar

Das besagte Kapitel 7 enthält jedoch eine solche Analyse. Im ersten Entwurf (Oktober 2017) spielte darin keine andere Schulform außer dem Gymnasium eine Rolle. Nach Protest der Linksfraktion wurden Oberschule und Gesamtschule als alternative Optionen zwar mit aufgenommen. Die Analyse ist jedoch weitgehend unbrauchbar. Und zwar aus zwei Gründen:

1) Der SEP weißt aus, dass 67% der Schöneicher Kinder nach der Grundschule ein Abitur anstreben. Es ist also klar (und unstrittig), dass wir eine Schule mit gymnasialer Oberstufe brauchen. Die Oberschule fällt damit als Schulform aus. Die Frage ist also: Gymnasium oder Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe?

2) Der SEP-Entwurf empfiehlt ein Gymnasium. Doch die Berechnung, die dem zu Grunde liegt, ist unzureichend. Betrachtet wurde nämlich nur die Übergangsquote der Schöneicher Schüler*innen der letzten Jahre. Also der jeweilige Anteil der Kinder, die eine der vorhandenen weiterführenden Schulen in der Umgebung anwählte. Das Problem: Es gibt im Umkreis überhaupt keine Gesamtschule in öffentlicher Trägerschaft. Wenn es keine solche Schule gibt, können die Kinder sie auch nicht anwählen und folglich ist die Anwahlquote für diese Schulform sehr gering. Die private FAW-Gesamtschule in Woltersdorf läuft als gebührenpflichtige Sparteneinrichtung außer Konkurrenz (mehr als 70% der Kinder gehen nicht auf eine private Schule). Die Bedarfsanalyse ist also in Bezug auf die Schulform Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe überhaupt nicht aussagefähig.

Weiterführende Schule für 49% …

Das ist besonders bedauerlich, weil es sich um jene Schulform handelt, die es allen Schöneicher Kindern ermöglichen würde, in unserer Gemeinde zur Schule zu gehen. Denn eine Gesamtschule bietet alle Schulabschlüsse an, einschließlich des Abiturs (nach 13 Jahren). Ein Gymnasium wäre allenfalls eine Schule für die (leistungsstärkere) Hälfte der Schöneicher Schüler*innen, denn laut SEP-Entwurf können nur 49% von ihnen dorthin gehen.

Die Schöneicher FDP allerdings ficht das nicht an. Ihr Gemeindevertreter Lutz Kumlehn verstieg sich im Hauptausschuss gar zu der Behauptung: „Wer sich wirklich anstrengt, schafft es auch auf’s Gymnasium.“ 51% der Schöneicher Kinder sind also einfach zu faul oder zu dumm. Die FDP ignoriert zudem, dass Studien von OECD und Bertelsmann-Stiftung (keine linken Organisationen!) Deutschland regelmäßig bescheinigen, der Bildungserfolg eines Kindes hänge hier wie kaum irgendwo sonst in den Industrieländern von der sozialen Herkunft ab.

… oder für alle Schöneicher Kinder?

DIE LINKE setzt sich für eine weiterführende Schule in Schöneiche ein, von der alle Kinder im Ort gleichermaßen profitieren. Das kann nur mit einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe erreicht werden. Gerade weil es die bisher in unserer Umgebung nicht gibt, würde sie das Schulangebot bereichern und kann auch für Schüler*innen aus den Nachbargemeinden interessant sein. Gesamtschulen sind in Brandenburg zudem sehr beliebt. Gerade im „Speckgürtel“ sind diese Schulen sehr gefragt und haben oft mehr Bewerber*innen als Plätze, wie die Märkische Allgemeine Zeitung schon 2014 berichtete.

Im SEP sollte deshalb die Bedarfsanalyse zur weiterführenden Schule in Bezug auf die Gesamtschule überarbeitet werden. Sinnvoll wäre es, die potenzielle Anwahlquote für eine Gesamtschule anhand der Erfahrungen in vergleichbaren Gemeinden zu berechnen, wo es bereits eine Auswahl zwischen Gymnasium und Gesamtschule gibt (z.B. Birkenwerder, Kleinmachnow, Kloster Lehnin, Mühlenbecker Land, Panketal, Zeuthen oder Zossen). Das hat die Linksfraktion in der Gemeindevertretung beantragt.

Länger gemeinsam lernen

Außerdem sollte die Möglichkeit für die Einrichtung eines Schulzentrums (Gemeinschaftsschule) geprüft werden. Dort ist es möglich, von der Einschulung bis zum Abitur gemeinsam zu lernen, ohne dass beim Übergang zur Sekundarstufe (i.d.R. zur 7. Klasse) eine Leistungsprüfung erfolgt. Wie die Berliner Erfahrungen zeigen, sorgt diese Schulform für weniger Stress bei den Kindern und für eine wirksame Entkopplung des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Bildungserfolg.

Im Bildungsausschuss wurde dieser Vorschlag fraktionsübergreifend begrüßt. Wir werden sehen, wie die Gemeindevertretung heute Abend entscheidet und sich gegenüber dem Landkreis positioniert.

Der Autor dieses Beitrages ist Gemeindevertreter und war 2014-2017 Vorsitzender des Bildungs- und Sozialausschusses.

Fritz R. Viertel
Fritz R. Viertel ist Mitglied der Gemeindevertretung und Vorsitzender der Fraktion Die Linke.

2 Gedanken zu „„Wer sich wirklich anstrengt, schafft es auch auf’s Gymnasium“!?

  1. Heinrich Jüttner

    Menschen sind gleichwertig aber nicht gleich. Jeder Mensch ist einmalig und wir leben in einer bunten vielfältigen Gesellschaft.
    Es gibt nicht ein Schulsystem, das für alle SchülerInnen gut ist. Systemstreit ist Quatsch.
    Wir benötigen für jede/n SchülerIn das passende Schulsystem und vor allem kleine Klassen, viele engagierte und qualifizierte LehrerInnen, Schulsozialpädagogen, gute bauliche Bedingungen und Ausstattungen, Freiräume und Sportanlage sowie Essenversorgung und Psychologen. Eltern müssen gut betreut werden, damit diese die besonderen und einmaligen Bildungswege ihrer Kinder fördern können.
    Das ist alles wichtiger als das Schulsystem.
    Nur bornierte Ideologen glauben, dass nur ihr System das einzig richtige sei.
    Leben und Menschen sind glücklicherweise zu vielfältig, um sie in ein System einzusperren!!!!

  2. Dr. Peter Stolz

    Inklusives Lernen in allen Brandenburger Schulen: Ein inklusives Gymnasium für Schöneiche!

    Viele Eltern und Kinder in Schöneiche wünschen sich ein Gymnasium in unserer schönen Gemeinde. Sie wünschen sich diese Schulform, da das Abitur traditioneller Weise an dieser Schulform am direktesten erreicht werden kann. Sie wünschen sich diese Schulform, da die Zusammensetzung der Schülerschaft in Schöneiche eine gewisse Homogenität gewährleistet, Schülerinnen und Schüler, die sich auch an ihrer eigenen Leistung erfreuen können.

    Schöneiche ist hoch erfreut, wenn bspw. Lisa-Marie Buckwitz zeigt, was eine Schöneicherin durch hartes Training und einen zielgerichteten Leistungseinsatz alles erreichen kann: eine Goldmedaille bei den Olympischen Winterspielen.

    Der Wunsch nach Anstrengung und Leistung ist nicht unsozial, eine solidarische Gemeinschaft versucht stets durch uneigennützige und verstetigte Leistungsbereitschaft alle zu unterstützen und alle zu fördern, in kleiner Form, ist das das Modell jeder Familie, in der Vater und Mutter das Beste tun, damit die Kinder gut gedeihen und die Kinder ihre Eltern nach Kräften unterstützten, damit dies gemeinsam für alle gelingt.

    Dies geschieht auch an Brandenburger Gymnasien: In Brandenburg gibt es bereits 129 „Schulen für gemeinsames Lernen“ (vgl.: http://www.inklusion-brandenburg.de/inklusionskarte.html). Sowohl in Berlin wie in Brandenburg sind alle Schulen und Schulformen verpflichtet, INKLUSION zu verwirklichen, d.h., „Gymnasien werden wie bisher für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf gesondert personell ausgestattet.“(vgl.: http://www.inklusion-brandenburg.de/fileadmin/daten/inklusion_im_land_brandenburg/Gemeinsames_Lernen/Erklaerung__Gemeinsames_Lernen.pdf).
    Bereits 19 Schulen im Landkreis Oder-Spree haben sich dazu verpflichtet „Schulen für gemeinsames Lernen“ zu sein. Ein neues Gymnasium in Schöneiche, das sich Eltern und Schüler in unserer Gemeinde wünschen, wäre keine unsoziale Leistungsschmiede, sondern könnte sich besonders sozialem und gemeinsamem Lernen verpflichten, wie dies bereits 129 Schulen in Brandenburg tun, es könnte ein Gymnasium sein, dass Inklusion durchsetzt und soziales Lernen in unserer Gemeinde fördert, diese Möglichkeiten sind alle im Land Brandenburg gegeben (s.o.):

    Ein altes Denken in guter und schlechter Schulform – wie dies, lieber Kollege Viertel, in Ihrem Artikel leider wieder „breit getreten“ wird, bzw. harter Leistungsschmiede und sozialem Paradies – hat mit der Schulrealität 2018 in Brandenburg nichts mehr zu tun, alle Schulen in Brandenburg sind heutzutage dazu verpflichtet „inklusiv“ zu sein und keine Lehrerin, kein Lehrer, der seinen Beruf liebt, wird eine Freude daran haben, Schüler unsozial auszugrenzen, sondern er/sie werden erfreut sein, wenn alle Schülerinnen und Schüler sich individuell und gemäß ihren Möglichkeiten optimal entwickeln, am Gymnasum genauso wie an der Gesamtschule.

    Wir können in Schöneiche aus unserem Gymnasium die Schule gestalten, die wir möchten, und Leistung kann junge Leute begeistern, sie kann im Team, als Herausforderung in der Mannschaft, in der Gruppe begeistern und alle anspornen im Team noch besser zu werden. Im Zweierbob hat Lisa-Marie Buckwitz nicht alleine die Goldmedaille geholt, sondern im Team, sozial engagiert und leistungsbereit. Sie hat sich mit ihrer Partnerin „ein bisschen angestrengt“, wahrscheinlich sogar „sehr viel“: Ein nachhaltiges Modell für viele Schöneicher Schülerinnen und Schüler und unser Schöneicher Gymnasium!

    Dr. Peter Stolz (FDP Schöneiche)

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