Identität mit Schöneiche?

Ein nun alter Schöneicher beginnt sich zunehmend unwohl zu fühlen in seinem Ort. Warum?

Um es vorweg zu nehmen: Ich bin Naturwissenschaftler, genauer Biologe, und habe u.a. auch eine Ausbildung in Systematik genossen, da gibt es eine eherne Regel: man entwickelt ein System, behält es längere Zeit bei, nach einer gewissen Zeitspanne aber überprüft man regelmäßig, ob das vorhandene noch mit den aktuellen Erkenntnissen übereinstimmt, und wenn eine Veränderung notwenig ist, ändert man das Notwendige, aber nur dann und jede Veränderung bedarf einer stichhaltigen Begründung. Dies scheint mir ist ein Grundsatz, den es lohnt allgemein anzuwenden.

Warum dieser Vorsatz? In unseren Gegenden hat man sich angewöhnt, alles Neue und Fremde allzu unkritisch zu bewundern, zu importieren und darüber die eigene Identität zu vernachlässigen; unbegründet, meine ich. Man versuche ein norddeutsches reedgedecktes Bauernhaus in ein bayerisches Bergdorf zu stellen, da wird man wenig Verständnis finden.

Also sollten wir uns unserer Identität bewusst werden und etwas daraus machen.

Gibt es eine solche Identität hier überhaupt? Offensichtlich, sonst wäre unser Ort nicht so attraktiv, oder wollen Leute nur hier her, weil´s dort wo sie herkommen noch hässlicher ist und weil sie meinen hier alles umgestalten zu müssen?

Identität beginnt mit Tradition und der Ortsstruktur – auch das ist Kultur, wie sieht es damit in Schöneiche aus?

Zunächst ist Schöneiche keine einheitliche Struktur, da gibt es mindestens 4 verschiedene mit unterschiedlichen Traditionen: das alte Gutsdorf, das Bauerndorf, die Siedlungen auf dem freien Feld (Hohes Feld, ganz passend) so etwa in Richtung Rüdersdorf – Vogelsdorf und schließlich die südlichen Siedlungen im ehemaligen Waldgebiet Richtung Friedrichshagen – Rahnsdorf- Woltersdorf, um sich nicht an historischen Ortsnamen festzumachen, die treffen diese unterschiedlichen Strukturen nicht ganz.

Also wenigstens 4 verschiedene Identitäten, die es erst einmal zu definieren gilt.

Am schwierigsten ist das wohl mit dem Gutsdorf, davon ist uns nicht allzu viel geblieben nach Abriß des Gutshauses und des Wirtschaftshofes. Immerhin, an der Lagen Reihe gibt´s Reste und am nördlichen Ende der Dorfstraße stehen auch noch einige alte Häuser aus der Zeit, als dort noch Landwirtschaft funktionierte. Wirtschaft (auch Brennerei) war hier dominierend und die Grundlage für den Wohlstand, den Gutshaus, Kavaliershaus und Park sowie manches andere Detail (z.B. die geschmückte Toreinfahrt) auch heute noch demonstrierten. Dies strahlte aus auf die weniger repräsentativen Bereiche wie die „Reihe“ mit den Katen und dem Rauhfutterspeicher sowie die südliche Dorfstraße, auch diese haben ein eigenes Gesicht. Schade, daß eines der ältesten Gehöfte, früher ein Bauerngehöft und Ausspann mit den ältesten Kellergewölben Schöneiches nicht erhalten wurde.

Kennzeichnend für unseren Ort ist auch unsere Straßenbahn, die ja ihr Depot am südlichen Ende der Dorfstraße hat. Dort stehen noch ein historischer Triebwagen und Anhänger – bewahrenswerte technische Denkmale, verfügten doch diese Züge über eine Druckluftbremse wie sie für Straßenbahnen einmalig ist. Der Erhalt und die Pflege wären förderungswürdig und ein Vorzeigeobjekt für unsere Gemeinde und Anziehungspunkt für Technikfreunde.

Landwirtschaft hat auch das Bauerndorf (die Dorfaue) geprägt, ein Runddorf mit Anger und Dorfteich, mit Höfen und Bauernhäusern, hier gibt es noch Reste der ehemaligen Wirtschaftsformen und vieles erinnert an Landwirtschaft, einschließlich der alten Schmiede. Dies prägt diesen Bereich und macht seinen Charme aus, mehr Lebendigkeit dieser Art wäre ihm zu wünschen, auch als touristische Attraktivität.

Wie sind nun die Charakteristika der zwei Siedlungsbereiche zu benennen? Zunächst ist ihnen eine lockere Bebauung mit 1- und 2- Familienhäusern als Einzel- oder Reihenhäuser gemeinsam, auf Grundstücken um 1000m2 und mindestens ¾ von ihnen weisen ein Spitzdach auf, davon wiederum hatten bis vor kurzem mindesten ¾ eine rote Ziegeleindeckung. Variation und Vielfalt gab es immer, strenge Regeln sind überflüssig bei einem Mindestmaß an Einfühlungsvermögen und Sensibilität für die Schönheit des vorhandenen. Die Größe der Grundstücke ermöglicht eine Nutzung als Erholungsgarten und den Anbau von Zier- und Nutzpflanzen, auch als größere Gehölze. Sonnenflächen und Schatten wechseln sich ab, sowohl als Ruhebereiche wie als Pflanzenstandorte. In den beiden Siedlungen ist der Gehölzbestand unterschiedlich, weniger und vorwiegend Obstgehölze auf der ehemaligen Feldfläche; in den südlichen Bereichen, die ja in den aufgelockerten Wald hineingebaut wurden überwiegen Waldgehölze, viele aus der Zeit als hier noch Forst war. Diese Struktur ist von den ansässigen Bewohnern lange Zeit verständnisvoll erhalten und gepflegt worden und dies macht gerade die Identität und Attraktivität dieser Bereiche aus.

Erinnert sei aber auch daran, dass lange Zeit auch in diesen Wohnbereichen kleine Handwerks- und Gartenbaubetriebe präsent waren und sich in das Gesamtbild sinnvoll einfügten. Daraus entstand eine enge Verbindung zwischen Kunden und Anbieter. Ich erinnere mich an den Vortrag einer Soziologin zu meinen Studienzeiten; sie beschrieb, wie sich über viele Jahrhunderte Arbeit und Wohnen in enger Nachbarschaft wechselseitig bedingten und betonte die Bedeutung dieser Beziehung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Wer früh sieht wie Arbeit abläuft, wann sie morgens beginnt und abends endet, dass sie Mühe bedeutet und manchmal auch Lärm und Schmutz, der wird sie später achten und hat es leichter, sich in das Arbeitsleben einzufügen. Jede Arbeitsstätte aus den Wohngebieten zu verdammen ist unter diesem Gesichtspunkt falsch. Ich jedenfalls habe dieses Nebeneinander noch kennengelernt. Geschadet hat das nicht.

Zurück zur Vegetationsstruktur: Bestimmend für unsere Gemeinde ist der Baumbestand des ehemaligen Waldes – „Wald- Garten- Gemeinde“, korrekt – dies führt zu dem so attraktiven Nebeneinander von Licht und Schatten. Bäume aber haben es an sich zu wachsen und damit auch den Schatten auszudehnen. Naturnahe Bedingungen sind aber gerade gekennzeichnet durch Baumbestand und sonnige Offenflächen; Gräser und Blütenpflanzen brauchen die freie Fläche, davon profitieren viele Insekten und Vogelarten die wir schätzen und auch wir Menschen suchen mal die Sonne und mal den Schatten. Schatten wird wichtiger in einer wärmer werdenden Welt, trotzdem hat auch jeder Anrecht auf seinen Platz an der Sonne. Daher ist es auch normal, gelegentlich einen Baum auszuasten oder zu fällen wenn er zu groß geworden ist, dann ggf. durch eine Neupflanzung zu ersetzen. Wichtig ist ein ausgewogenes Nebeneinander, und dies sollte auch in den neubebauten Grundstücken gewährleistet sein. Ich jedenfalls bemerke, dass man versucht, gerade denen, die diese attraktive Vielfalt bisher erhalten haben, vorzuschreiben was richtig ist, Neubebauungen aber zulässt, die dies nicht gewährleisten können und wollen. Wenn ein Gebäude mehr als die Hälfte der Grundstücksfläche einnimmt und dann 6 Familien noch je einen KFZ-Stellplatz brauchen, bleibt kaum ausreichend Platz für Sonne und Schatten, weder als privater Rückzugs- und Ruheplatz noch als Pflanzenstandorte. Welch wertvolle Erfahrung stellt für Kinder ein eigenes Stück Gartenland zu Anbau und Ernte dar! Dies ist unter diesen Bedingungen nicht zu gewährleisten. Wie verträgt sich solch dichte Bebauung mit dem gewachsenen Ortsbild, das Schöneiche so attraktiv macht? Übrigens: Kahlschlag auf Grundstücken, die zur Lückenbebauung genutzt werden, beobachte ich öfter in letzter Zeit. Bedenkenlos werden auch immer wieder bisher frei zugängliche und mit Bäumen und wild wachsender Vegetation bedeckte Flächen aus Gemeindeeigentum kahlgeschlagen, versiegelt und bebaut, das verträgt sich weder mit Umweltschutz noch mit der Erhaltung des Ortsbildes.

Mir scheint dass einige meinen, das Bild unseres Ortes modernisieren zu müssen. Ich bin der Auffassung, dass wir eine eigene Identität und einen attraktiven Stil besitzen, das muß man nicht modernisieren. Zuerst sollte man das vorhandene erhalten und sinnvoll nutzen. Wer Neues wünscht, sollte dafür auch neue Standorte suchen und diese nach einheitlichen Gesichtspunkten gestalten.

Was uns fehlt ist eine in die Zukunft weisende Entwicklungskonzeption mit dem Schutz des Bestandes in seinem Gesamtcharakter – eben seiner Identität, die es unzweifelhaft gibt – gültig aber besonders für Neuansiedlungen, sie muß den Bestand der Attraktivität unseres Ortes auf der Grundlage seiner bestehenden Identität zum Ziel haben.

Vorschläge für eine solche Konzeption stelle ich zur Diskussion:

– Jede Bebauung hat sich in das gewachsene Ortsbild einzufügen.

– Mindestens 2/3 der Gebäude sind mit Spitzdach zu errichten, davon 2/3 in rot einzudecken

– Fassaden sollten vorwiegend in hellen und mittleren Erdfarben gestaltet werden

– Die Bebauung jedes Grundstücks hat zu höchstens 1/3 der Fläche zu erfolgen

– Als Richtwert sollen jeweils wenigstens 1/3 der Gesamtfläche im Sommer Mittags beschattet und besonnt sein, diese Verhältnisse sind dauerhaft zu erhalten (damit ist 1/3 frei zur jeweiligen Entscheidung)

– Außengrenzen der Quartiere müssen einen ausreichend wilddichten Zaun aufweisen (dies erspart unnötige Konflikte – Wildtiere müssen auch einen Platz haben in einer Wald- Garten – Gemeinde) und ermöglicht andererseits auch offene Grundstücksgrenzen)

– auch außerhalb der erschlossenen Grundstücke soll möglichst viel parkähnliches, halboffenes Gelände unbebaut erhalten werden, dort sind auch Altgehölze zu erhalten – auch alte Bäume gehören zum Ortsbild (Alt- und Totholz bildet für viele Organismengruppen eine wichtige ökologische Nische)

– Abweichungen von diesen Grundsätzen sollen nur in neu zu erschließenden größeren geschlossenen Bereichen zulässig sein (nicht als Lückenbebauung), die dann ggf. ihrerseits ihre Identität neu zu definieren haben

– In angemessenem Maße sollen auch kleinere Gewerbe innerhalb der Ortskerne möglich sein

– Im Guts- und Bauerndorf sollen Landwirtschaft und Nutztierhaltung, auch als touristisches und sportliches Angebot möglich sein

– Die Erhaltung und Wiederinstandsetzung der historischen Radwege neben den Gehwegen ist anzustreben

– Im Mühlenfließ ist eine dauerhafte Wasserführung zu sichern (das gehört zum Ortsbild!)

– Grundstückseigentümer sollten die Unterstellung ihrer Kraftfahrzeuge auf dem eigenen Grundstück gewährleisten, Straßenparkplätze sollten für Besucher und Kurzzeitparker reserviert bleiben

Unbedingt zu vermeiden sind:

– Beseitigung historischer Bausubstanz und ortstypischer Gebäude und Anlagen

– übermäßiger Kahlschlag bei Lückenbebauung

– architektonische Fremdkörper, die dem Charakter der jeweiligen Wohnlage nicht entsprechen

– Verkehrsführungen, die zur Verödung des Ortes führen und Durchreisende von den Angeboten innerhalb der Gemeinde fernhalten

– Unterschiedliche Fassaden- und Dachgestaltung bei Reihen- und Doppelhäusern, wenigstens im von der Straße aus sichtbaren Bereich, auch bei Rekonstruktion oder Instandsetzung

– Beseitigung von kleinen, mit „Wildwuchs“ bewachsenen Freiflächen (die Errichtung des Aldi-Marktes auf einer solchen Freifläche ist unakzeptabel)

Forderungen:

Grundsätzliches Umdenken in der Ortsgestaltung und Bekenntnis zum Charakter unseres Ortes

Überprüfung der Notwendigkeit und mindestens völlige Überarbeitung des Neubaus der Gemeindeverwaltung – so ist gerade das am vorgesehenen Standort ein Negativbeispiel

Erhaltung des Rathauses und der verschiedenen alten Schulgebäude als Aufgabe der Gemeinde – wie man alte Bausubstanz sinnvoll erhalten und nutzen kann zeigt das Beispiel des Alten Kinos sowie die Rathäuser umliegender Gemeinden (Rüdersdorf, Woltersdorf, Erkner).

Vorschläge zur Förderung der Ziele:

Bonus auf die Grundsteuer bei Einhaltung der Richtwerte für Sonne und Schatten und bei Neupflanzung von geschützten Baumarten (der Umfang ist zu diskutieren)

Forderung an Neuzuzügler, sich zu den grundsätzlichen Zielen und dem Stil des betreffenden Ortsteils bekennen, insbesondere bei Lückenbebauung und die Kontrolle der Auflagen

Wenn wir zu unserer Identität finden und uns zu ihr bekenn wollen, sollten wir uns darüber austauschen. Diese Grundsätze und Forderungen sind Vorschläge, über die wir diskutieren und sie im Lauf der Diskussion noch abrunden und ergänzen sollten. Ziel sollte es sein, wertvolle Identität zu erhalten und trotzdem Vielfalt in einem sinnvollen Maß zulassen. Die Diskussion ist eröffnet.

Dr. K.M. Scheibe

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