Fit für die Zukunft

Bebauungsplan 6/2.3/12 Seniorenwohn- und Pflegeeinrichtung Dorfaue 7, 9 und verlängerte Kirchstraße, Abwägung im Verfahren nach § 13 a (2) Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 (2) und § 4 (2) BauGB.
Die Gemeindevertretung beschließt: Die im Verfahren nach § 13 a (2) Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 (2) und § 4 (2) BauGB geäußerten Anregungen hat die Gemeindevertretung der Gemeinde Schöneiche bei Berlin geprüft und im Einzelnen abgestimmt. Das Ergebnis ist im Abwägungsprotokoll enthalten.

Anwesende:19 / Ja – Stimmen:14 / Nein – Stimmen:2 / Enthaltungen:3
Ergebnis:ANGENOMMEN Beschluss – Nr. 5./2013/ 471
Um 21:54 Uhr beendet der Vorsitzende der Gemeindevertretung die öffentliche Sitzung und verabschiedet die Gäste.

So sieht es also aus, wenn mit staubtrockenen Formeln einsame Entscheidungen zugunsten einer Immobiliengesellschaft unauffällig an der Öffentlichkeit vorbeigeschleust werden. Dass damit Grundsatzentscheidungen der GV nicht nur zu Dorfaue und Ortsmitte ausgehebelt werden und schwer zu korrigierende Weichenstellungen für die gesamte Ortsentwicklung erfolgen, fällt nur zweien auf, die lt. Protokoll zu später Stunde wohl frei von narkoleptischen Schüben waren. Denkmalschutzsatzung Dorfaue, Visionen für Schöneiche, Regionalplanungen, Analysen, sozialplanerische Bedenken sowie Einwendungen der Bürger und des Kreises – alles nebensächlich. Wir sind doch investoren- und seniorenfreundlich und wollen lediglich eine private Investition ermöglichen.
Alles andere ist nicht in unserer Hand, der Investor wird es schon richten.
Laut Amtsblatt werden die seit einiger Zeit zu beobachtenden wunderbaren Zufälle, die endlich das Zubetonieren der Ortsmitte ermöglichen, noch einmal in Gestalt des B-Planes übertänigst als Beschlussvorlage in die Ausschüsse und die Sitzung der Gemeindevertretung gegeben. Erst der B-Plan macht den hastigen und ohne öffentliches Verfahren erfolgten Verkauf der Dorfaue 7-9 perfekt, verleiht so den Makleraktivitäten der Gemeinde im Nachhinein höchste demokratische Weihen und entlastet ihre Urheber.
Dass die Zahl der Alten auch in Brandenburg immer weiter zunimmt, ist inzwischen eine ausgelutschte Plattitüde, dass man man für die Alten sorgen muss, nicht nur in einer christlich geprägten Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit.
Visionäre folgern aus der Bevölkerungsstatistik, dass man Ideen und Geduld braucht, um die Orte lebendig, auch für junge Leute attraktiv machen muss, z. B. durch Arbeits-. Bildungs- und Freizeitangebote. Junge Leute zu halten gilt allgemein als die beste Vorsorge für die Zukunft und für die Alten. Natürlich sind Jobangebote, gewachsene Gewerbestrukturen, eine gute Wirtschaftsstruktur wichtig. Während die Romantiker noch ihren Visionen nachhängen, treibt den wahren Macher vor allem eines: Der nackte Horror vacui.
Der Ortskern muss verdichtet werden, koste es, was es wolle. In einem Amt, in dem dieses Ziel schon länger verfolgt wird, stehen sie nach mindesten 16 Jahren erfolgreicher Gewerbepolitik alle Schlange:
Die Verlage, Kanzleien, Einzelhändler, Hoteliers und Gastronomen, Ingenieurbüros, Technologieunternehmen, Wissenschaftseinrichtungen, Schulen und Dienstleister. Sie alle wollen in einem wunderbar gelegenen und früher einmal charmanten Ort mit guter Verkehrsanbindung und Sozialstruktur etwas tun, natürlich ökologisch und denkmalschützerisch korrekt und haben nun doch das Nachsehen. Warum? Weil große Entscheider auch mal mutige Entscheidungen treffen müssen. Es geht doch um die schnelle Verdichtung des Ortskernes, um Bevölkerungszuwachs und das angesichts knapper Kassen. Die Zukunft sind Alteneinrichtungen! Eine innovative und einzigartige Idee, die sich seit gut 10 Jahren in Westdeutschland in höchstens 80.000 Gemeinden und im Brandenburg der letzten 5 Jahre in höchstens 2.000 Gemeinden materialisiert hat.
Nun könnte man sich über die Schattenseiten dieser nicht neuen Entwicklung informieren. Nicht so hier: Während Immobilienentwickler anderswo zum Geldverdienen nehmen müssen, was sie kriegen, gibt es auch Gemeinden, in denen die Lenker die Ortsmitte ausschließlich diesem Zweck widmen. Von wegen Deindustrialisierung! 40.000 Quadratmeter im Zentrum einer grünen Flächengemeinde geben eine industrielle Prägung:
Senioreneinrichtungen, Parkplätze, Supermarkt und Verwaltung – einzigartig! Mehr braucht man nicht und für anderes ist auch kein Platz mehr. Und über Architektur reden wir gar nicht erst. Ist das nicht gewagt?
Ja, aber nur wer wagt, gewinnt: Der Immobilienentwickler mit dem Bebauen der letzten Quadratmeter, die Makler mit dem Verkauf von Omas Häuschen, die öffentlich Angestellten, die mit steigender Einwohnerzahl mehr Gehalt oder Pension bekommen, der öffentliche Haushalt mit auf Jahrzehnte steigenden Gewerbesteuereinnahmen aus Sanitätshäusern und Fußpflege. Und wenn sich laut amtlichen Schätzungen 2030 die Bevölkerungszahl wieder auf ca. 11.000 reduziert haben wird, werden zwar die heutigen Lenker nicht mehr lenken, es wird sich auch keiner mehr an die Beschlüsse und Beschließenden von heute erinnern, aber man wird bestens gerüstet sein gegen Bevölkerungsflucht, leerstehende Häuser und kommunale Immobilien. Wodurch?
Durch Senioreneinrichtungen, Parkplätze, Supermarkt, Verwaltung und stabile Einnahmen aus Sanitätshäusern und Fußpflege. Wir werden längst riesige Sport- und Erholungsanlagen, Thermen und, und, und haben, alles aus den gigantischen Steuereinnahmen. Touristen aus aller Welt werden dank Kultourkate die klotzige Silhoutte einer früher denkmalgeschützten Dorfaue zu schätzen wissen und sich zusammen mit Senioren und Pflegepersonal in wunderbar gemütlichen Biergärten vis-á-vis vom Rathaus tummeln. Sie werden den Lenkern zujubeln, bevor sie in großen Prozessionen zum etwas abseits gelegenen Gutsdorf wandern und die heute nicht erkennbare, dann aber dank Veränderungssperre vorzufindende historische Ortsanlage bewundern.

Der Alte Fritz oder Peter der Große haben sich Leute ins Land geholt, die etwas Bestimmtes konnten, etwas leisten sollten. Die heutigen Lenker stemmen sich gegen amtliche Prognosen einer bis 2030 sinkenden Bevölkerungszahl, indem sie Ortskerne verdichten und mit Leistungsempfängern populieren.

Öffentliche Diskussionen können mutige Projekte gefährden. So ist seinerzeit die brilliante Idee eines Krematoriums in der Ortsmitte am Widerstand von Kleingeistern gescheitert. Damit sich dergleichen nicht wiederholt, ist es von höchster Wichtigkeit, dass es vor und bei den Entscheidungen nicht zuviel Öffentlichkeit und Diskussionen gibt, dann aber alle artig an einem Strang ziehen. Das heißt hier: Nicht gedanklich abschweifen, auf die Vorlagen fokussieren, zustimmen und mit viel Getöse für eine bestmögliche Auslastung der Senioreneinrichtungen sorgen.

Auf zum langen Schlussspurt: Wir haben nur noch 7 Jahre, um die 15.000 zu knacken!

Satte Schläfrigkeit, Undurchsichtigkeit und parlamentarische gestützte Verantwortungslosigkeit für jedwede Entscheidungen sind die tragenden Säulen
einer gelenkten Demokratie. Die Welt ist widersprüchlich, einfaches Denken verlocken.

MU

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