Worte zum Neujahrsempfang am 9. Januar 2015

Rede des Vorsitzenden der Gemeindevertretung Dr. Erich  Lorenzen 

Guten Abend zusammen, schön, dass Sie da sind!

Das Jahr 2014 hat wieder gezeigt, wie stark ehrenamtliches Engagement in unserer Gemeinde verwurzelt ist. Blicken wir nur auf die vergangenen Jahrestage zurück:

120 Jahre Sport in Schöneiche, die Feuerwehr konnte ihr „Notruf-Jubiläum“ feiern, 1 12 Jahre Feuerwehr, 35 Jahre Heimatfreunde, 20 Jahre Kulturgießerei, 10 Jahre Musikfest, und 20 Jahre Sicherheitspartnerschaft in Schöneiche.

Vielleicht darf ich auf unsere Sicherheitspartner etwas näher eingehen. Deren Engagement und Ausdauer imponieren mir besonders: Sie leisten für uns einen Beitrag bei dem kein Erfolg zu messen, kein unmittelbares Erfolgserlebnis zu erreichen ist. Verhinderte Einbrüche und Diebstähle sind nicht zu erfassen, aber ich weiß durch Streifentätigkeit, durch die konkrete Beratung vor Ort und über die Sensibilisierung der Schöneicher innen und Schöneicher für eine gemeinschaftliche und wachsame nachbarschaftliche Verantwortung ist sehr viel erreicht worden.

Als wir nach Schöneiche zogen, gab es diesen Verein schon und ich gebe zu, ich hatte ein komisches Gefühl. Bürger gehen Streife, eine Bürgerwehr, selbsternannte Sheriffs? Aber mir wurde klar, unser Sicherheitsverein respektiert das staatliche Gewaltmonopol, ist nicht rechtsextremistisch eingestellt oder unterwandert und schürt keine Vorurteile gegen Ausländer und Migranten. Stilles, sachliches, effektives Engagement ! Das ist leider nicht in allen Gemeinden so.

Daher bin ich stolz auf unseren Sicherheitsverein!

Schon früh hat die Gemeinde versucht die Sicherheitspartner zu unterstützen, am 2. Februar 1995 schrieb die Berliner Zeitung unter der Überschrift: „30 Schöneicher machen im Sicherheitsverein mit“, folgende Sätze: „Ein PIan, im Zusammenhang mit der Unsicherheit im Oft mit einer Senkung oder Abschaffung der Hundesteuer mehr Vierbeiner nach Schöneiche zu holen, ist umstritten. Erst mit der Haushaftsberatung Ende Februar wird die Entscheidung darüber fallen- Die Bürgermeisterin möchte die Erleichterung jedenfalls den Besitzern von Wachhunden zukommen Aasen.“ Wir beinahe rührend hilflos. Was am Ende daraus geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Mehr Vierbeiner als Kinder dürften wir inzwischen aber locker haben! Natürlich Schöneiche besteht nicht nur aus Feiertagen, sondern ist ein Mosaikstein – oder gar ein Spiegelbild? – unseres Staates.

Wir sind eine – überwiegend gut situierte – Schlafstadt, viele gesellschaftliche Entwicklungen erreichen uns erst mit einiger Verspätung. Auf welche Entwicklungen des Jahres 2014 müssen wir uns vielleicht in Schöneiche noch gefasst machen?

Heute ist Freitag und nicht Montag, aber ich fühle mich unsicher, kann nachher nicht sehen, ob nicht gerade heute die Sondersendung läuft, die analysiert, warum ab sofort der Islam Staatsreligion in

Sachsen ist…

… bei oberflächlicher Betrachtung des montäglichen Getöses aus Dresden scheint dies offenbar unmittelbar bevorzustehen!?

Als ich zum ersten Mal PEDIGA, „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“

hörte, dachte ich an Helge Schneider oder Harpe Kerkeling. Doch zum Lachen ist das Ganze nicht, denn es stehen kaum belehrbare und denkfaule selbsternannte ,,Wutbürge/‘ hinter dieser absurden Bezeichnung! Aber unbelehrbare, realitätsresistente und alles Besserwissende gibt auch in allen anderen Lebensbereichen und an anderen Orten, teilweise sogar in Fraktionsstärke…

Am 20. November hat die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre Studie, Fragile Mitte – Feindselige Zustände“ vorgestellt, das eine Bild der politischen Tendenzen in der Bevölkerung liefert (Berliner Zeitung). lm ersten Moment erscheinen die Ergebnisse recht positiv, da rechtsextremistische Einstellungen offenbar an Zustimmung verlieren. 2012 waren noch ca. 9 % offen rechtsextrem, 2014 nur noch 2,4 %. Viele der Befragten beziehen inzwischen deutlicher Stellung gegen diskriminierende Aussagen als früher. Dennoch kein Grund zur Entwarnung, die rechtsextremen Ansichten der Menschen verlagern sich von den offenen hin zu subtileren Formen. Die Deutschen sind mehr darauf bedacht ihre sogenannten Etablierten-Vorrechte zu wahren – Motto: ,,Wer hier neu ist, sollte sich erst mal mit weniger zufriedengeben.“ Dieser Forderung stimmen immerhin fast 60 % zu, knapp 50 % werten Langzeitarbeitslose und Obdachlose ab. Auch wenn die Mehrheit der Deutschen rechtsextreme Einstellungen vehement ablehnt, offenbart die Umfrage Unsicherheiten in bestimmten Punkten, die vor allen durch aktuelle Ereignisse beeinflusst werden. Auf eben diese Unsicherheiten und Abstiegsängste zielen die radikalen Lager am Rande der Gesellschaft mit ihren jüngsten Aktionen. Da versuchen die wenigen Extremen, die breite Masse aufzuwiegeln und es gelingt immer häufiger.

Die Normen der Mitte werden mehr und mehr brüchig. Das zeigt uns, Demokratie und Rechtsstaat sind keine Selbstverständlichkeit und es gibt sie auch nicht zum Nulltarif! Wir müssen immer wieder offen Stellung beziehen und dürfen den öffentlichen Raum nicht den anderen überlassen!

ln diesem Zusammenhang gibt es auch nichts, was man durch Gespräche ,,wegtherapieren“ könnte!

Nein, manchmal sind glasklare, harte Ansagen notwendig, die Damen und Herren von der Polizei und die Lehrerinnen und Lehrer unter lhnen wissen, was ich meine…

… und die Eltern unter uns hoffentlich auch!

Diese Ansage muss endlich deutlicher aus den Reihen der Politik kommen! Bundeskanzlerin Merkel hat in ihrer Neujahrsansprache gesagt: ,,Heute rufen manche montags wieder „Wir sind das Volk“. Aber tatsächlich meinen Sie: ihr gehört nicht dazu – wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion.“

Dies trifft nicht den Kern Da wird jeder ausgrenzt, der nicht in dieser grölendem Horde mitmacht. Es werden keine Hautfarben oder Religionen ausgegrenzt, sondern Weltoffenheit, Toleranz und Mitmenschlichkeit! … und Frau Merkel selbst damit auch! Wir müssen deutlicher machen: Wir sind das Volk!

Ein weiteres Thema, die jährliche Bildungsstudie der OECD: Man kann eine Menge Fehler machen im Leben, auch in Deutschland. Aber den allergrößten Fehler, den man in unserer Gesellschaft begehen kann, begeht man bereits, bevor man geboren ist. Nämlich dann, wenn man bei der Auswahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug war! Alle wissen es, aber kein tut was! Das Bildungssystem der Bundesrepublik schafft es nicht, gleiche Chancen für alle Kinder bereitzustellen. Akademikerkinder studieren mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit wie Kinder anderer Eltern. Nur noch 19% der jungen Erwachsenen bis 34 Jahre erreichen einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern.

Dies wird für die Gesellschaft immer problematischer, da das Einkommen immer stärker vom Bildungsgrad abhängt. Menschen ohne Abitur und Berufsabschluss verdienen im Schnitt 16 % weniger als Menschen mit Abitur oder abgeschlossener Lehre, wer aber einen Hochschulabschluss oder Meisterbrief hat, verdient im Schnitt 74 % mehr als diejenigen mit mittleren Abschlüssen.

Die soziale Schere geht kontinuierlich weiter auseinander. Wenn es Sie trösten mag, in Chile liegen die entsprechenden Zahlen bei 34 und 160 %. Auch 2014 hat sich weltweit der Unterschied zwischen arm und reich weiter vergrößert. Aber diesmal ist seltsames passiert. Zum ersten Mal sorgen sich die Industrienationen um ihre Armen, aber nicht aus Barmherzigkeit oder Gerechtigkeitssinn, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Es wird zunehmend beklagt, dass die Reichen immer reicher werden, die Armen immer weniger Chancen und Perspektiven besitzen und die Mittelschicht schrumpft. Diese Ungleichheit schwächt zunehmend nicht mehr nur die Gesellschaft, sondern inzwischen auch die Volkswirtschaften. lm Zentrum stehen nicht mehr die Probleme, die die Armen haben, sondern die Probleme, die die Armen dem Wirtschaftswachstum bereiten. So macht der internationale Währungsfonds (lWF), und nicht nur er, die wachsende Ungleichheit zumindest zum Teil verantwortlich für die aktuellen Finanzkrisen.

Als ich gestern Abend da saß und diese Zeilen aufgeschrieben habe, hatte ich immer das fürchterliche Massaker von Paris im Kopf und das was Erich Kästner einmal – sinngemäß – gesagt hat: ,,Die Dinge sind so furchtbar, dass man nicht darüber sprechen kann, aber sie sind so furchtbar, dass man darüber sprechen muss!“ Weltweit ist dazu alles gesagt, ich brauche hier nichts zu wiederholen.

Beeindruckend auch die Welle des Mitgefühls und der Betroffenheit. Doch was bleibt davon? Bleibt überhaupt etwas?

Wir neigen gerne zu einer Art Betroffenheitskult, laufen 14 Tage mit Transparenten und Kerzen durch die Gegend, versichern uns gegenseitig unserer tiefsten Betroffenheit, versuchen dabei vielleicht auch noch uns gegenseitig zu überbieten, und arbeiten dadurch die ,,Betroffenheit“ regelrecht ab. Aber wir müssen etwas in unseren Köpfen und in unserem Handeln verändern!

Lassen Sie mich zum Abschluss zurück nach Schöneiche kommen.

Auch 2015 wird es Jubiläen ehrenamtlicher Arbeit in Schöneiche bei Berlin zu feiern geben. lch möchte auf eines besonders hinweisen. Unsere Bürgerstiftung wird 5 Jahre alt. Gut, daran geschraubt – zuvorderst von Herrn Ziegler – wird schon seit knapp 10 Jahren, aber die staatliche Anerkennung und Genehmigung konnte erst 2010 erfolgen.

Wenn im Ort über die Bürgerstiftung gesprochen wird, höre ich immer wieder die Geschichte vom neuen Konzert-Flügel für die Schlosskirche. Die allermeisten halten dies für ein ,,Luxusproblem“ und keines für die ,Bürgel‘. Aber fast alle bewundern die tolle PR für diese Sammlung! Dabei geraten die anderen bisherigen Projekte in Vergessenheit, etwa das neue Schlagzeug für die Musikschule, die Beteiligung an den Rahmen für die Schindler-Bilder, Kunst am Buswartehäuschen, die Unterstützung des Bauantrages für die ,,Grüne Wabe“ des Naturschutzaktivs oder die Unterstützung der Sportjugend. Da ist für jeden etwas dabei, der Stiftungszweck ist praktisch allumfassend. Nun hat die Stiftung in den vergangenen Jahren noch nicht so viel Geld sammeln können, um größere und mehr Projekte zu fördern. Machen Sie mit, bringen Sie – möglichst – Geld und ldeen ein, und wirken Sie mit bei den Entscheidungsfindungen für die nächsten Projekte! Die Stiftung hat sich dazu eine nette Initiative ausgedacht: Den ,,Dauerstifte/‘, 5 Euro monatlich für 10 Jahre von ‚1000 Schöneicher innen und Schöneichern! Die ,,5″ darf ruhig etwas höher sein, die ,,10″ durchaus niedriger – ein solcher Dauerauftrag kann ohnehin jeder Zeit gekündigt werden – aber die Zahl ,,1000″ sollte doch weit übertroffen werden! Fangen wir vielleicht gleich damit an, ich reiche diese Tafel durch und Sie können sich auf der Rückseite eintragen, Telefonnummer oder E-Mail, und die Bürgerstiftung wird unverbindlich Kontakt zu lhnen aufnehmen. … oder besuchen Sie www.buerqerstiftuno-schoeneiche.de. lch habe mir dies erst heute Vormittag überlegt, die Tafel ist daher etwas provisorisch schlicht und das Ganze ist mit der Stiftung nicht abgestimmt, hoffentlich geht das so in Ordnung… und es fühlt sich Niemand genötigt!

 Bei den vielen ehrenamtlich Tätigen in unserer Gemeinde und bei allen anderen, die sich für die Wahrnehmung öffentlicher Belange und für das Gemeinwohl einsetzen, möchte ich mich – auch im Namen der Gemeindevertretung – ganz herzlich bedanken. Bedanken möchte ich mich auch bei allen, die hauptamtlich für Schöneiche bei Berlin tätig sind. Insbesondere bei unserem Bürgermeister, Heinrich Jüttner, und allen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. lch habe den Eindruck, dass die Verwaltung auch im vergangenen Jahr sehr engagiert und erfolgreich gearbeitet hat.

Meine Damen und Herren, für den Rest des Jahres 2015 wünsche ich lhnen allen Gesundheit, Glück und Lebensfreude!

Schöneiche bei Berlin, 9. Januar 2015

Quelle: www.schoeneiche-bei-berlin.de

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Redaktion Schöneiche Online