Schöneicher Gespräche Teil 1: Martin Berlin (SPD)

Schöneicher Gespräche

In der Reihe „Schöneicher Gespräche“ wollen wir in nächster Zeit Interviews mit Personen der Schöneicher Kommunalpolitik veröffentlichen. Im ersten Teil dieser Serie unterhalten wir uns mit dem Gemeindevertreter Martin Berlin (SPD).

RSO: Wie sind sie nach Schöneiche gekommen, was für einen lokalen Bezug haben sie zu unserer Gemeinde?

Martin Berlin: Schöneiche kenne ich seit meiner frühsten Kindheit.

Mein leider vor zwei Jahren verstorbener Patenonkel besaß im Steteweg einen Sommergarten, den ich jeden Sommer oft besuchte. Besonders anbenteuerlich ist mir hierbei die Anfahrt mit der durch den Wald rumpelnden Schöneicher Straßenbahn in Erinnerung geblieben oder aber der Einkauf von Brause in der alten HO an der Dorfaue. Nachdem 1996 ein Teil meiner Familie von Berlin nach Schöneiche gezogen war und ich dadurch noch öfter Zeit in Schöneiche verbrachte, reifte die Idee bei meiner Mutter und mir, dass wir auch ins Grüne umziehen. Seit 2006 lebe ich nun in Schöneiche, obwohl es wegen meines Vollzeitstudiums in Magdeburg noch bis 2012 dauerte, bis ich auch offiziell Schöneicher wurde. Da es für mich immer wichtig ist schnell Wurzeln zu schlagen und mich gesellschaftlich zu engagieren, bin ich u.a. im Verein für Sicherheitspartnerschaft und der Kulturgießerei Mitglied.

RSO: Wo sehen sie Unterschiede zwischen den „Neu-Zugezogenen“ und den „Alt-Schöneichern“?

Die Frage ist schwierig zu beantworten, da allein auch zwischen den Hinzugezogenen starke Unterschiede bestehen. Was mir allerdings aufgefallen ist, ist der Umstand, dass „Alt-Schöneicher“ untereinander meist eine stärkere soziale Beziehung haben. Das ist aber auch nicht verwunderlich, da sie sich durch vielfältige Gemeinsamkeiten in der Biografie (Schule, Freiwillige Feuerwehr, Sportvereine) länger und intensiver kennen. Als Zugezogener muss man erstmal Kontakte nachholen. Das geht aber recht schnell, wenn man bereit ist, sich im Ort zu engagieren und offen und hilfsbereit auf seine Nachbarn zuzugehen. Natürlich gibt es aber auch Mentalitätsunterschiede. Wenn man beispielsweise in der lebhaften Berliner Innenstadt sozialisiert wird, formt das einen anderen Menschen, als wenn man im ruhigeren Schöneiche aufwächst.

RSO: Was sehen sie als einmalig oder als Alleinstellungsmerkmal von Schöneiche an?

Die angenehme Mischung aus der aufgelockerten gartengeprägten Siedlungsstruktur, der Nähe zur Natur und den vielen Freiflächen im Ort. Auch stimmt das Sozialgefüge und die Lebensqualität im Ort. Daran haben gerade die vielen Vereine und Initiativen einen großen Anteil, die mit Elan und Herzblut tolle Freizeitangebote schaffen. Zudem kann Schöneiche mit einer sympathischen und sehr zuverlässigen ÖPNV-Anbindung aufwarten. Es ist ein echter Glücksfall für die Gemeinde, dass Anfang des 20. Jahrhunderts einige weitblickende Kommunalpolitiker den Bau der Straßenbahn durchsetzten.

RSO: „Waldgartenkulturgemeinde“ – Ein einmaliger Begriff in der deutschen Kommunalpolitik. Was verbinden sie damit?

Einerseits eine ausgewogene Mischung zwischen einer behutsamen und naturnahen Siedlungsentwicklung mit viel Grün und einer aufgelockerten Bebauung. Andererseits aber auch der Anspruch, durch vielfältige Kultur- und Freizeitangeboten das örtliche Gemeinwesen zu berreichern.

RSO: Wo sehen sie Schöneiche in zehn Jahren?

Dank einer behutsamen Ortsentwicklung bei nicht mehr als 15.000 Einwohner/innen, da wir sonst stark Gefahr laufen, unseren angenehmen Ortscharakter zu verlieren. Potential sehe ich noch im weiteren Ausbau des Gewerbegebietes an der B1 und die Gestaltung des Ortszentrums. Zudem werden wir innerhalb der nächsten 10 Jahren die Verkehrs- und Versorgungs-infrastruktur weiter an die Bedürfnisse einer älter werdenenden Bevölkerung anpassen müssen.

RSO: Wie beurteilen Sie die Entwicklung die Schöneiche seit der Wende gemacht hat?

Nicht alles lief fehlerfrei aber die Ortsentwicklung kann sich sehen lassen. Die Bevölkerungszahl ist dank der Attraktivität unseres Ortes und der guten Anbindung an Berlin durch die Straßenbahn seit 1990 von 8.200 auf 12.400 Einwohner/innen gewachsen. Viele junge Familien ziehen nach Schöneiche – das ist gut für eine gesunde Altersstruktur. Der Gemeindehaushalt konnte nach einer Durststrecke auf ein stabiles Fundament gestellt werden und bildet jetzt die Basis für ein vergleichbar leistungsfähiges Gemeinwesen mit zahlreichen freiwilligen Angeboten (u.a. Kult-Our-Kate, Kulturgießerei, Straßenbahn, Jugend- und Sozialarbeit). Viele Brandenburger Gemeinden können sich soetwas nicht leisten.

RSO: Es gab erst jüngst wieder eine Diskussion um einen Montessouri-Campus als weitere Schule in Schöneiche. Den Wunsch nach einer weiterführenden Schule teilen viele Schöneicher. Wie sehen sie die Chancen zur Realisierung einer neuen Schule in Schöneiche und in was für einer Form?

Das Montessouri-Campus war ein unterstützenswertes Projekt, dass Schöneiche sicherlich viel gebracht hätte, allerdings war die SPD aus nachvollziehbaren finanziellen Gründen dagegen, dass die Gemeinde als Bauherr in Vorleistung gehen soll. Das wäre finanziell verantwortungslos gewesen. Zudem hätte die geplante Schule nicht den Bedarf unseres Ortes abgedeckt. Dennoch: Schöneiche benötigt weiterhin eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. Aus mir unverständlichen Gründen wurde der Schulstandort Erkner in der Vergangenheit unverhältnismäßig hoch gefördert, während u.a. die ehemalige Gesamtschule in Schöneiche aufgegeben wurde. Wir sind die drittgrößte Gemeinde im Landkreis Oder-Spree, mit wachsender Bevölkerung. Der Landkreis sollte daher den Schulentwicklungsplan anpassen. Leider fehlen bisher die politischen Mehrheiten auf Kreisebene – aber daran arbeiten wir.

RSO: Wir hatten 2012 die Bürgermeisterwahl und 2014 die Kommunal- und Landtagswahlen. Die nächsten wichtigen Wahlen für Schöneiche sind erst wieder in einigen Jahren. Worauf wollen sie in dieser Zeit ihre politische Arbeit konzentrieren?

Die Verbesserung unserer Sportinfrastruktur, durch den Bau eines Multifuktionsgebäudes auf dem Sportplatz. Die Stärkung des ÖPNV und der Straßen- und Wegeinfrastruktur (soweit verkehrlich sinnvoll und wirtschaftlich). Hierbei hat aus meiner Sicht vor allem die Sanierung der Brandenburgischen Straße höchste Priorität. Die weitere behutsame ökologisch-verträgliche Ortsentwicklung, die dafür sorgt, dass der einmalige Ortscharakter von Schöneiche dauerhaft erhalten wird. Wir sollten nicht den Fehler machen, und jede Freifläche zubauen. Daneben spielt die Anpassung der Gemeindeinfrastruktur an die Bedürfnisse einer älterwerdenen Bevölkerung eine große Rolle. Dies ist ein wichtiges Querschnittsthema über alle Teilbereiche der Kommunalen Daseinsvorsorge. Ein weitere kommunalpolitische Aufgabe wird die effektive Integration von Flüchtlingen in Schöneiche sein. Ich denke hier wird es viele Herausforderungen geben, die es zu meistern gilt.

RSO: Mit der Freiwilligen Feuerwehr, dem Bürgerbündnis und den Unabhängigen Bürgern werden sechs Sitze der GV von Listen gestellt, die keine Bundespartei als Hintergrund haben. Wie beurteilen sie diese Situation?

Aus meiner Sicht ist es einerseits nachvollziehbar, dass die klassischen Parteien seit einigen Jahren mit einer sinkenden Bindungswirkung gegenüber Wählern zu kämpfen haben. Hierfür gibt es diverse Gründe. Einer davon dürfte aber in der zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft und den Umstand liegen, dass klassische Volksparteien mit ihrer breiten Positionsspanne nicht immer den politischen und wertemäßigen Positionen eines Großteils der Wählerschaft entsprechen. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich von Parteien nicht mehr optimal vertreten. Auch ist es so, dass klassische Parteien aufgrund von Widersprüchen zwischen Wahlprogrammen und Realpolitik von vielen Wählern negativ bewertet werden. Das strahlt dann letztendlich auch auf die kommunale Wahlentscheidung aus.

Dagegen ist aber auch beobachtbar, dass die Bindungswirkung von Einzelpersonen oder ortsbekannten Initiativen wichtiger geworden ist. Wenn ein Einzelkandidat auf kommunaler Ebene bekannt ist und geschätzt wird, ist dass in der Wahlentscheidung ausschlaggebender als ein gutformuliertes Parteiprogramm.

RSO: Wie beurteilen Sie das derzeitige politische Klima in Schöneiche?

Verbesserungsfähig aber hinnehmbar. Kommunalpolitik wird bekanntlich von Menschen gemacht, die alle mehr oder weniger emotional ihre Themen und Positionen vertreten. Da kann es schon mal etwas lebhaft zugehen. Mit vielen meiner Kolleginnen und Kollgen komme ich hervorragend und wertschätzend aus. Allerdings gibt es auch einige wenige Querschläger, die sich nicht an Absprachen und/oder an einen menschlich anständigen und wertschätzenden Umgang halten. Ohne diese Personen wäre die Arbeit wesentlich ruhiger und konstruktiver.

RSO: Auch dieses Jahr wird wieder viel um den Bürgerhaushalt diskutiert werden. Klarer Gewinner war letztes Jahr ein Schwimmbad mit Therapiebad, was ja nun klar den Rahmen des Bürgerhaushalts sprengen würde. Wie stehen sie allgemein zum Bürgerhaushalt? Würden sie eine Erhöhung des Bürgerhaushalts in Betracht ziehen oder eher eine Streichung?

Der Bürgerhaushalt ist aus meiner Sicht ein gutes Instrument, um Bürgerinnen und Bürger dazu zu bringen, sich über die Haushaltslage und den Ablauf von Investitionsentscheidungen in unserer Gemeinde Gedanken zu machen. Aus meiner Sicht muss aber der Ablauf des Bürgerhaushaltes in einigen Aspekten reformiert werden. Die formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Finanzvorschläge sollten enger gefasst werden. Es sollten nur Vorschläge zugelassen werden, die vom Projektumfang der Höhe unseres Bürgerhaushaltes von 20.000 EUR entsprechen. Zudem solten Vorschläge mit einem groben Finanzplan versehen werden, aus dem ersichtlich wird, dass sich der/die Vorschlagende Gedanken über die Kosten gemacht hat. Ich denke, auf diesem Weg lässt sich verhindern, dass Projektvorschläge abgegeben werden, die wie in der Vergangenheit geschehen, einfach nicht zu finanzieren sind. Wenn dann die Gemeindevertretung die Notbremse ziehen musste, sorgte dass bei allen Beteiligten für Unmut. Durch klarere Spielregeln kann dies künftig verhindert werden.

RSO: Die Gemeindekasse ist zurzeit im Minus. Wo könnten wir ihrer Meinung nach sparen?

Dank der Senkung der Kreisumlage und dem aktuell guten Steueraufkommen sind Kosteneinsparungen zur Zeit nicht erforderlich. Allerdings müssen wir die Ausgaben für Investitionen im Auge zu behalten. Nicht alles was gewünscht wird, kann finanziert werden. Und das muss ehrlich kommuniziert werden.

RSO: Wie wichtig ist ihnen die Arbeit der Beiräte und der Vereine?

Sehr wichtig natürlich. Ohne die Arbeit unserer Vereine und der vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern läuft in Schöneiche wenig bis gar nichts. Die Lebensqualität wird maßgeblich von den Vereinen im Ort geprägt. Darüber hinaus gibt es unsere Beiräte und Beauftragten (u.a. den Seniorenbeirat, den Jugendbeirat, Bürgerhaushalt, den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen und demnächst den neuen Klimabeirat). Ich finde es gut, dass diese Beiräte und Beauftragte der Gemeindevertretung mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auch wenn nicht immer alle Hinweise und Wünsche umgesetz werden können.

RSO: Die Kreisreform steht vor der Tür. Was halten sie davon? Wo sehen sie Potential oder Kritik?

Ich halte Sie für notwendig. Die Einwohnerzahl in den Landkreisen sinkt und die Verwaltungsstrukturen sind an diesen Umstand anzupassen, da sonst unverhältnismäßige hohe Kosten für die Aufrechterhaltung von zu kleinteiligen Verwaltungsstrukturen die Konsequenz wäre. Entscheidend ist auch nicht die Größe eines Landkreises, sondern die Erreichbarkeit und der Zugang von Verwaltungsdienstleistungen und Angebote der Öffentlichen Daseinsvorsorge. Dies kann über ein dezentrales Netz von Außenstellen der Kreisverwaltung, Onlinedienstleistungen der Verwaltung oder mobile Angebote gewährleistet werden. Allerdings kann ich viele Bürgerinnen und Bürger verstehen, für die ihr Landkreis eine wichtige Identifikationsfunktion für „Heimat“ erfüllt. Änderungen erfordern daher eine hohe Sensibilität, Gelduld und Dialog.

RSO: Wir werden in Schöneiche bald Flüchtlinge aufnehmen. Wie beurteilen sie die aktuelle Stimmung im Ort dazu?

Die Bürgerinnen und Bürgern mit den ich gesprochen habe, sind mehrheitlich für die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitäten Gründen. Skepsis besteht jedoch vielfach darin, ob es gelingen kann, die Flüchtlinge in den Ortsalltag ausreichend zu integrieren und zu betreuen. Auch gab es Fragen zur Sicherheit, zur medizinischen Versorgung und der Frage nach der Aufnahmekapazität von Schulen und Kitas. Bei einigen Bürgerinnen und Bürgern gibt es aber auch difuse Ängste. Diese können sicherlich erst in der Praxis abgebaut werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir Lösungen für die anstehenden Herausforderungen finden werden und dass hier auch die große Chance für eine gegenseitige kulturelle Berreicherung im Ort liegt. Allerdings wird das nur gelingen, wenn möglichst viele Vereine und gesellschaftlichen Akteure in Schöneiche mithelfen.

RSO: Vielen Dank das Interview.

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Redaktion Schöneiche Online