Straßenbau- und Erschließungsbeiträge – eine Gegenüberstellung

(Artikel/R. Steinbrück) Der folgende Artikel stammt von der Webseite der Gemeinde Schöneiche bei Berlin: 

Die Beteiligung der Anlieger an den Kosten zur Herstellung oder Erneuerung einer Straße wird derzeit wieder kontrovers diskutiert. Zur Erläuterung dieser Themen möchte ich Sie hier mit einer Gegenüberstellung der Straßenausbau- und Erschließungsbeiträge informieren.

Straßenbau- und Erschließungsbeiträge – eine Gegenüberstellung

Bei der Erhebung von Anliegerbeiträgen für Straßenbaumaßnahmen durch die Gemeinde müssen zwei grundsätzlich unterschiedliche Falltypen betrachtet werden:

1. die erstmalige Herstellung einer Straße, also auch der Ausbau von Sandstraßen;
2. die Erneuerung, Erweiterung oder Verbesserung einer bereits baulich hergestellten Straße.

Für die zwei Falltypen gelten völlig unterschiedliche gesetzliche Regelungen. Die derzeitige Diskussion um die Abschaffung der Straßenbaubeiträge trifft dabei nur für die zweite Fallgruppe zu. Sie berührt also überhaupt nicht die Herstellung der sogenannten Sandstraßen.

Zu 1.: Die erstmalige Herstellung einer Straße (Erschließungsbeitragsrecht)

Für die erstmalige bauliche Herstellung einer Straße – dazu zählt auch der Ausbau der Sandstraßen – werden Anliegerbeiträge aufgrund des Erschließungsbeitragsrechts fällig. Sie heißen daher Erschließungsbeiträge und sind im Baugesetzbuch (BauGB) der Bundesrepublik Deutschland ab Paragraf 123 bundeseinheitlich geregelt. Zur Konkretisierung der gesetzlichen Regelung des BauGB hat die Gemeinde eine Erschließungsbeitragssatzung erlassen.

Erschließungsbeiträge werden bundesweit erhoben, so auch in Berlin und in Bayern. Die Höhe des Erschließungsbeitragssatzes beträgt in den allermeisten Kommunen bundesweit 90 Prozent.

Warum werden Erschließungsbeiträge erhoben?

Üblicherweise findet die erstmalige Herstellung einer Straße vor der Bebauung der Grundstücke statt. So ist es im Baugesetzbuch geregelt, so war es auch vor 100 Jahren. Die Erschließung eines Grundstückes (u.a. durch eine befestigte Straße) galt und gilt als Voraussetzung für die Bebauung eines Grundstückes. Die Erschließung – einschl. einer befestigten Straße – war und ist Voraussetzung dafür, dass aus einem Stück Acker, Wiese oder Wald ein Baugrundstück wird, auf dem der Eigentümer beispielsweise ein Wohnhaus errichten darf. Für jedes Baugrundstück müssen also einmal die Erschließungskosten bezahlt werden.

Die geschichtlichen Wirrungen des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass an manchen Straßen schon Wohnhäuser gebaut wurden, obwohl noch keine befestigte Straße vorhanden war. Das sind die sogenannten Sandstraßen, deren erstmalige Herstellung noch erfolgen muss.

Der üblicherweise erhobene Beitragssatz von 90 Prozent drückt den Vorteil aus, den der Eigentümer des ursprünglichen Ackerlandes (oder Wiese oder Wald) durch die Erschließung hat. Er bekommt Bauland und muss dafür eben einen Großteil der Erschließungskosten tragen. Für ca. 75 Prozent der Schöneicher Straßen haben die Eigentümer zu irgendeinem Zeitpunkt die Erschließungskosten getragen. An den 19 Kilometern Sandstraßen war das bisher in der Regel nicht der Fall. Deshalb müssen diese Eigentümer ihren Beitrag nun
nachträglich leisten, wenn die Straße (erstmalig) gebaut wird.

Zu 2. Die Erneuerung, Erweiterung oder Verbesserung einer bereits erstmalig hergestellten Straße (Straßenbaubeitragsrecht)

Wenn eine zu einem früheren Zeitpunkt bereits baulich hergestellte Straße nach vielen Jahren/Jahrzehnten erneuert werden muss oder verbessert werden soll, werden von den Eigentümern der anliegenden Grundstücke Straßenbaubeiträge erhoben. Die gesetzliche Grundlage dafür bildet Paragraf 8 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) des Landes Brandenburg.

Das Straßenbaubeitragsrecht ist also Landesrecht. Es ist daher in den Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt. In einigen Bundesländern (wie Brandenburg) sind durch die Kommunen Straßenbaubeiträge zu erheben, in anderen Bundesländern können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie Straßenbaubeiträge erheben oder nicht, in einigen Bundesländern gibt es keine Straßenbaubeiträge.

Die Gemeinde hat auf Grundlage des KAG eine Straßenbaubeitragssatzung erlassen, die die Details der Beitragserhebung regelt. So sind unter anderem die Gemeinde- bzw. Anliegeranteile für die unterschiedlichen Teileinrichtungen einer Straße (Fahrbahn, Gehweg, Beleuchtung, …) in Abhängigkeit von deren Verkehrsbedeutung festgeschrieben. So beträgt der Anliegeranteil an den Kosten der Fahrbahn in einer Hauptverkehrsstraße nur 20 Prozent, in einer Haupterschließungsstraße 40 Prozent und in einer Anliegerstraße 70 Prozent. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Straßen mal mehr und mal weniger der Allgemeinheit bzw. (nur) den Anliegern dienen.

Warum werden überhaupt Straßenbaubeiträge erhoben?

Straßenbaumaßnahmen kosten viel Geld und müssen finanziert werden. Von einer (gut benutzbaren) Straße profitieren zum einen die Anlieger (weil so ihr Grundstück erschlossen ist und sie ihr Grundstück gut erreichen können) und zum anderen – soweit es sich nicht um eine reine Anliegerstraße handelt – die Allgemeinheit, weil Straßen nicht immer nur von Anliegern genutzt werden. Gerade Hauptverkehrsstraßen und Haupterschließungsstraßen werden auch von sehr vielen Nicht-Anliegern genutzt. Deswegen wird der Beitragssatz auch je nach Straßenkategorie variiert. Es bleibt aber immer auch ein Anliegeranteil, weil die Straße eben auch einen Vorteil für den Anlieger darstellt. Während sich der allgemeine Verkehr ohne die betreffende Straße einen anderen Weg suchen könnte, ist das Grundstück des Anliegersauf die Straße vor dem Tor als Erschließung angewiesen. Ohne diese Erschließung könnte das Grundstück nicht als Bauland/Wohngrundstück/Gewerbegrundstück genutzt werden.

Nun ist ein Straßenbaubeitrag für die Erneuerung/Verbesserung/Erweiterung einer Straße natürlich für den einzelnen Eigentümer sehr viel Geld. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass eine solche beitragspflichtige Straßenbaumaßnahme nur alle 50 bis 100 Jahre stattfindet, ergibt sich für ein typisches Grundstück rechnerisch ein zweistelliger Euro-Betrag pro Jahr, pro Monat ein einstelliger Eurobetrag. Weniger als zehn Euro pro Monat dafür, dass das Grundstück, auf dem man wohnt, ordentlich erreichbar und erschlossen ist, die Regenentwässerung und die Beleuchtung funktionieren, … Das scheint kein unangemessener Betrag zu sein.

Was wäre wenn … die Straßenbaubeiträge abgeschafft würden?

Im Falle der Abschaffung der Straßenbaubeiträge durch eine entsprechende Änderung des Kommunalabgabengesetzes durch den Landtag Brandenburg würde der Gemeinde eine nicht unerhebliche Einnahme fehlen, um Straßenbaumaßnahmen zu realisieren. Entweder könnten dann keine oder weniger Straßenerneuerungen durchgeführt werden, oder die Gemeinde müsste die erforderlichen Mittel durch Kürzungen an anderer Stelle oder Steuererhöhungen realisieren.

Am Ende bezahlen also auch wieder die Eigentümer – dann über die Steuern – den Straßenbau. Dann aber eben nicht nur die, die davon auch direkt profitieren, sondern alle. Ob die jährliche Belastung aller Schöneicher Grundstückseigentümer am Ende niedriger oder höher ist als die oben kalkulierte Summe, ist völlig unklar.

Das gilt natürlich auch, wenn das Land den Kommunen die fehlenden Einnahmen aus Beiträgen ersetzt. Auch das Land holt sich das Geld über Steuern von den Bürgern.

Schöneiche bei Berlin, 11.10.2018
Ralf Steinbrück, Bürgermeister

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RSO
Redaktion Schöneiche Online

Ein Gedanke zu „Straßenbau- und Erschließungsbeiträge – eine Gegenüberstellung

  1. Dr. Kalke

    Hallo verehrter Herr Steinbrück,
    vielen Dank für Ihre absolut sachliche und gut verständliche Gegenüberstellung der beiden Beitragsarten zum Straßenbau. Das ist sicher für viele Schöneicher lesenswert und informativ.
    Allerdings – Sie ahnen es – halte ich Ihren Beitrag, was die Diskussion um die beiden Beitragsarten angeht, erst für den sachlichen Auftakt. Alle folgenden Beiträge können nun nicht mehr ganz so sachlich bleiben, weil sie die Frage nach der Beitragsgerechtigkeit, der Angemessenheit auch der ökologischen Vernunft ansprechen müssen und sich nicht nur auf die derzeitige Rechtslage zurückziehen können.
    So kommen leider Ihrerseits (verständlicherweise) keine nachdenklichen oder gar kritischen Argumente über die Auswirkungen der angeführten Satzungen.
    Auch den historischen Aspekt des KAG und der darauf aufbauenden StraBS sollte man mal kurz beleuchten und in Frage stellen. Letztendlich beruhen ja selbst das jüngste Urteil und dessen Begründung des Bundesverwaltungsgericht auf diesen (uralten) Argumenten des „Vorteils für die Anlieger“ Das wird durch die Bevölkerung als völlig realitätsfremd wahrgenommen.
    Dann gibt es da wohl auch noch ökologische Argumente, die zwar so gar nicht zu unseren derzeitigen Bauvorschriften und noch nicht mal zu unseren Umweltauflagen passen, die aber auf Dauer auch nicht ignoriert werden sollten.

    Also: Zum Erschließungsbeitragsrecht und den Schöneicher Sandstraßen:
    Erschließung einer Gemeinde mit Straßen zum Zwecke der Erschließung von Grundstücken. Gut und plausibel von Ihnen dargestellt. 90% durch die Anlieger zu tragen, weil diese den (nahezu alleinigen) Vorteil haben. Auch das nicht völlig unlogisch. Aber: Nun bestehen die Sandstraßen bereits 100 Jahre. Und sie funktionieren und die Hauptnutzer kommen damit (in der Mehrheit) aus und sehen auf der anderen Seite derzeit nicht die Notwendigkeit, sich für viele Tausend Euro eine Bitumenstraße und einen schmalen kostensparenden Gehweg vors Haus setzen zu lassen. Es sind nämlich in der Regel keine Gewerbetreibenden, für die das eventuell ein Imagegewinn wäre (den sie nebenbei bemerkt, steuerlich absetzen könnten … anders als Lohnsteuerpflichtige …) sondern sie hätten lediglich weniger Sand in der Fußmatte vor dem Haus.
    Das Argument, vorgebracht in der Gemeindeversammlung, dass Rollstuhlfahrer in Sandstraßen nicht mehr das Haus verlassen könnten, weil kein Gehweg existiert, sollte man mal mit Zahlen unterlegen. Dem gegenüberzustellen, wäre dann auch ein ökologisches Argument. Das spielte auch bei der erstmaligen Herstellung von Straßenkanalisation eine Rolle. Sinngemäßes Zitat aus eine Gemeindeversammlung „Vielleicht sollten wir froh sein, wenn wir nicht so viele versiegelte Straßen und Flächen haben“. Und „Machen wir uns nichts vor, wir werden künftig nicht mehr jedes Regen-Extremereignis mit Kanalisationssystemen abfangen können“ ….
    Das Versickerungspotenzial der Sandstraßen in unserer Gemeinde ist vermutlich höher, als wir auf den ersten Blick annehmen. Wenn es sich um 19 km Sandstraßen handelt und wir nur mit Randstreifen vielleicht von 10 m Gesamt-Straßenbreite ausgehen, sprechen wir hier von 26 Fußballfeldern, die völlig UNVERSIEGELT in Schöneiche für lokale Versickerung, natürliche Reinigung und allmähliche Grundwasserneugewinnung sorgen.
    Auf der anderen Seite kämpfen alle Parteien und Vertreter gegen eine Verdichtung der Bebauung und für das Verbot des Bauens in 2. Reihe; was verständlich ist, um den locker bebauten Charakter Schöneiches nicht zu gefährden, aber auch, um zusätzliche Versiegelung zu verhindern, da wird jeder Quadratmeter gemessen. Warum dann bitte nicht bei den Flächen, die die Gemeinde in der Hand hat? Welchem gesetzlichen Zwang zum Ausbau der Sandstraßen unterliegen wir eigentlich?
    Und: Sollten da die Meinungen der Anlieger nicht auch einen zumindest in einer Satzung fixierten Rang erhalten?

    Und nun zur Straßenausbausatzung (StraBS) und den bereits vorhandenen Straßen:
    Bekanntlich haben die Erstanlieger dieser Straßen in Schöneiche das sogenannte „Pflastergeld“ entrichten müssen. Einem Nachfolger des Pflasterzolls, das zur erstmaligen Errichtung einer befestigten Straße verwendet werden sollte (nicht immer auch wurde). Diese Abgabe war damals schon „nicht von schlechten Eltern“ und wohl wirklich nur wohlhabenden (Neu-)Schöneichern zu entlocken. Vielleicht kann der Heimatverein mal dazu einen Artikel verfassen(?)
    Nunmehr sind die Straßen verschlissen oder nicht mehr auf dem (wasser-)technisch erwünschten Niveau, da sollen dann mal die Anlieger nach 50-100 Jahren wieder ran. Das müsste zu leisten sein, kann man sich ja viele Jahre darauf einstellen und sparen um dann nach Bescheidzustellung auch innerhalb von 4 Wochen zahlen zu können. Aber wie sieht das mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürger aus? Die Anlieger hätten (wie bei der erstmaligen Errichtung einen „Nutzungs-Vorteil“ sagt das Verwaltungsgericht – oh je, den nachvollziehbar einem Bürger klarzumachen bedarf es wohl schon eines „Schriftsatzes“ aus der Feder eines Juristen…

    Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich kenne keinen Anlieger, der die Straßensanierung wirklich absolut verhindern möchte, viele aber sind mit der derzeitigen Praxis der Kostenverteilung und des geringen Einflusses auf die Bauweise nicht einverstanden. Daher wird das immer ein Konfliktfeld zwischen Einwohnern und Gemeindeverwaltung bleiben. Die Einwohner fühlen sich als Zahler (denn schließlich kommt der Gemeindeanteil aus Fördermitteln des Kreises oder des Landes) und die Gemeinde muss unter ständiger Kostenangst eine möglichst kleine Lösung suchen, um Kosten für Anlieger und Fördermittel überschaubar zu halten. Die Funktion einer Straße oder eines Straßenabschnitts muss da manchmal sogar in den Hintergrund treten. (Siehe geplante um 2 Meter reduzierte Straßenbreite eine Hauptsammelstraße… )
    Und kommen diese Fördermittel für die Gemeinde nicht – wie im Falle der Brandenburgischen 2017 – dann kann auch nicht losgebaut werden. Was für eine Demütigung! Souveränität einer Gemeindeversammlung sieht anders aus. Prioritäten Diskutieren, Abwägen, Entscheiden, Planen, Bauen und Bezahlen aus einer Hand, das hielte ich für souverän, verlässlich und verantwortungsvoll. Was spricht dagegen, dass alle Straßen und Wege, wie auch Plätze, Gemeindegebäude, kommunaler Wald, Gewässer und andere Gemeindeflächen auch durch die Mitglieder der Gemeinde zu verwalten und zu finanzieren sind? Warum sind die Anlieger einer Hauptsammelstraße – deren Nutzungsanteil vielleicht bei 1% liegt zu 40% zahlungspflichtig? Werden die Anlieger des Goetheparks mehr zu dessen Pflege herangezogen als die Bewohner von Fichtenau? Oder wer zahlte das neue Rathaus? Vermutlich nur die Anlieger der Dorfaue?

    Das KAG und die StraBSe mögen 100 Jahre lang ein probates Mittel gewesen sein, um den kommunalen Straßenbau in der Bundesrepublik praktisch zu finanzieren. Mit den neuen technischen Anforderungen an den Straßen- und Wasserbau einerseits und der gestiegenen Mobilität und Tonnage der Nutzfahrzeuge andererseits werden die dort fixierten Beiträge der Anlieger zunehmend weniger vermittelbar und bezahlbar. Von Gerechtigkeit kann da lange schon nicht mehr die Rede sein.

    Einen Vorschlag zur gerechten „Umverteilung“ hatte ich schon gemacht. Und das wirklich im ein- bis zweistelligen EURO-Bereich pro Einwohner pro Jahr.
    Aber das ist ein anderes Thema.

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