Mehr Straßenbahn wagen!

(Artikel/FRV) Unter der Regie der Beigeordneten Gundula Teltewskaja (parteilos, für DIE LINKE) und durch einen Beschluss des Kreistages hat der Landkreis Oder-Spree eine Arbeitsgruppe zur ländlichen Entwicklung gebildet – die sich u.a. mit dem Thema Mobilität befasst. Dort stellte die Kreisverwaltung im Sommer die aktuelle Verkehrsplanung vor.

Es bot sich ein bescheidenes Bild: Der letzte Kreisnahverkehrsplan (KNVP) – das zentrale Planungsdokument für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in der Region – galt 2012 bis 2016. Statt einer Fortschreibung erfolgte 2017 der Abschluss eines neuen Verkehrsvertrages – eigentlich Instrument zur Umsetzung der Planung – mit der Busverkehr Oder-Spree GmbH für weitere 10 Jahre auf der Basis der Annahmen aus dem alten KNVP. Nun soll zwar ein neuer Plan her, doch der Rahmen ist bis 2027 weitgehend gesetzt.

Dieser Text versucht, diesen absurden Umstand als Chance zu begreifen. Denn er bietet die Gelegenheit, die ÖPNV-Entwicklung im Landkreis in einem Horizont von 10 bis 20 Jahren zu denken. Und da kommt ein Verkehrsmittel in den Blick, das im Kreis zwar seit langer Zeit existiert, in der Nahverkehrsplanung bisher aber eine untergeordnete Rolle spielte: Die Straßenbahn.

Vorteile der Straßenbahn ernst nehmen

Auch wenn Überlandstraßenbahnen teilweise anderen Voraussetzungen unterliegen als im Stadtverkehr, kommen ihre wichtigsten Vorteile im Vergleich zum Busverkehr ebenfalls zum Tragen:

  • „Schienen-Bonus“ – Bei der Umstellung von Bus auf Straßenbahn nutzen mehr Fahrgäste den ÖPNV. Die Tram bringt viele Autofahrer*innen zum Umsteigen. Vorteile sind u.a. mehr Komfort und Platz als im Bus.
  • Umweltfreundlichkeit – Straßenbahnen sind umweltfreundlich. Sie verschmutzen die Luft vor Ort nicht. Sie erzeugen keine Abgase und können mit Öko-Strom fahren.
  • Schnelligkeit – Straßenbahnen sind schneller als Busse. Auf eigener Trasse und mit Vorrangschaltungen an Straßenkreuzungen fahren sie an jedem Stau vorbei. So können sie auch längere Strecken in kurzer Zeit zurücklegen.

Straßenbahn- kostet dabei nicht zwangsläufig mehr als Busverkehr. Zwar sind Busse bei der Neubeschaffung billiger als Straßenbahnen. Während ein Bus rund 8 bis 10 Jahre im Einsatz ist, können Straßenbahnen 30 Jahre oder länger fahren. Ähnlich bei der Infrastruktur: Busse fügen einer Straße so viel Schaden zu wie 50.000 bis 100.000 PKW und erhöhen den Sanierungsbedarf immens. Straßenbahngleise halten auf gerader Strecke bis zu 40 Jahre.

Potenzial zum Straßenbahnausbau in Oder-Spree

Das Potenzial zum Straßenbahnausbau im Landkreis knüpft dort an, wo bereits Verkehrsbetriebe existieren. Das ist innerhalb des Landkreises mit den Tramlinien 87 (Woltersdorf) und 88 (Schöneiche) der Fall. Zudem verfügt die benachbarte Stadt Frankfurt (Oder) über ein Netz mit derzeit 5 Tramlinien. Ausgehend von der bestehenden Infrastruktur könnten folgende Erweiterungen in den Blick genommen werden:

  1. Verlängerung der Linie 87 von Woltersdorf Schleuse nach Rüdersdorf Marienstraße (ca. 4,4 km),
  2. Ausbau der Linie 87 von Woltersdorf Thälmann-Platz nach Erkner Bahnhof bzw. bis nach Gosen/Neu Zittau (ca. 2,6 km bis 8,0 km),
  3. Ausbau der Linie 88 zwischen S-Bahnhof Berlin-Rahnsdorf, Schöneiche und S-Bahnhof Neuenhagen bzw. bis zum U-Bahnhof Hönow (ca. 9,0 km bis 14,1 km),
  4. Verlängerung der Linie 88 von Alt-Rüdersdorf nach Herzfelde und Hennickendorf bzw. bis nach Strausberg (ca. 7,3 km bis 10,5 km),
  5. Verlängerung der Linie 4 von Markendorf Ort (Frankfurt/Oder) nach Müllrose Bahnhof bzw. Müllrose Süd (ca. 7,5 km bzw. 8,3 km),
  6. Verlängerung der Linien 1 und/oder 5 von Frankfurt/Oder Mühlenweg nach Brieskow-Finkenheerd bzw. Groß Lindau oder Wiesenau (ca. 10 km bzw. 15 km).

Chancen des Straßenbahnausbaus nutzen

In vielen Gemeinden ist der Verkehr für mehr als ein Drittel der Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Wollen wir die Pariser Klimaziele erreichen, muss der Autoverkehr um die Hälfte reduziert werden. Wir müssen zudem die Mobilität derjenigen gewährleisten, die kein Auto nutzen können (bspw. Kinder, von Einkommensarmut Betroffene, Menschen mit Behinderung) oder wollen. Das wird nur mit einem attraktiven, umweltfreundlichen und leistungsstarken ÖPNV gelingen. Besonders im Stadtumland kann der Straßenbahnausbau – in Verbindung mit einem innovativen Finanzierungsmodell (wie dem „Templiner Modell“ oder dem Bürgerticket) den PKW-Verkehr reduzieren und so für mehr Lebensqualität sorgen. Deshalb sollten wir mit der neuen Nahverkehrsplanung mehr Straßenbahn wagen!

Dieser Text basiert auf einem Diskussionspapier des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Landesverband Brandenburg. Es kann unter www.vcd-brandenburg.de als PDF-Datei (4 Seiten) abgerufen werden.

Der Autor dieses Textes ist Mitglied des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und Sachkundiger Einwohner in der AG ländliche Entwicklung im Landkreis Oder-Spree.

Fritz R. Viertel
Fritz R. Viertel ist Mitglied der Gemeindevertretung und Vorsitzender der Fraktion Die Linke.

Ein Gedanke zu „Mehr Straßenbahn wagen!

  1. Siegfried von Rabenau

    nun, die Überschrift stimmt. Mehr Straßenbahn-Wagen. Die wären, egal wohin man was verlängert erforderlich. Die passen aber nicht mehr ins De-Pöchen. Und mehr Fahrer braucht man auch. Wobei jetzt schon die älteren öfter und länger krank sind und die Rentner und Ehrenamtlichen den Fahrbetrieb aufrecht erhalten. Den pensionierten Hauptwachtmeister Vierich sehe ich öfter an der Kurbel als ich ihn früher auf der Straße sah! Und der Prototyp eignet sich auch mehr zum ministerlichen Kuchenverteilen. Die Lösung können auch zwei nicht sein, in Bern sah ich sie schon als Auslaufmodell. Und sie schlingern auf der Fahrt durch den Wald so wie seinerzeit die zweiachsigen Donnerbüchsen und ich glaube, das tut den Schienen nicht gut. Sowas macht die Heidelbeere nicht! Guckt mal nach Leipzig, die haben an die alten Tatra-Panzer filigrane Niedereinstiegsanhänger drangehängt, da kommt man mit dem Rolli rein. Die gibt es auch mit Türen auf beiden Seiten, was hier angebracht wäre. Und anderswo fahren die Heidelbeeren auch im Doppelpack, da werden sie wohl einen Hänger wegkriegen. Billiger dürfte das auch sein. Und in keinen Zug müßte man mehr Kinder- oder Rentnerkutschen heben!
    Gern würde ich mit unserem Schmalspurexpress zum Bahnhof Neuenhagen fahren wenn die Dauerbaustelle S3 im Elektronikstellwerksstreik ist. Aber da soll es mal einen Bus gegeben haben. Irgendwie gibt´s den nicht mehr. Auch von Rüdersdorf in´s Doppeldorf auf der anderen Reichsstraßenseite wäre ein guter Gedanke. Aber da gab es bis 1965 eine S-Bahn. Nun haben die Rüdersdorfer noch eine Bahnhofstraße wie die Schöneicher eine Seestraße haben.
    Nun, Träume sind was gutes. Leider ist die Realität trauriger, nicht mal die verlängerte Schleife am Bahnhof Friedrichshagen ist in Sicht. Aber die Tendenz, statt in den Landtag dauerhaft mit frischen Ideen in die Straßenbahnkanzel hat was erfreuliches!

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