(PM/VCD Brandenburg) Die Gemeinde Schöneiche bei Berlin hat öffentlich dazu eingeladen, im Rahmen eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs bis Ende Januar 2020 Vorschläge zur nachhaltigen Entwicklung des ehemaligen LPG-Geländes am nördlichen Ortsausgang (Neuenhagener Chaussee) zu unterbreiten. In einem offenen Ideenworkshop am 13. Feburar 2020 sollen die Beiträge erstmals diskutiert werden. Der Landesverband Brandenburg des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD) hat sich mit einem Beitrag an dem Ideenwettbewerb beteiligt und schlägt auf der Fläche ein autofreies Modellquartier vor.
Modellprojekt für nachhaltige Entwicklung
Der VCD Brandenburg empfiehlt, die betreffende Fläche – mit einer Größe von rund 20,5 ha – konsequent im Sinne der ökologisch und sozial orientierten Selbstbezeichnung Schöneiches als „Waldgartenkulturgemeinde“ zu entwickeln. Konkret schlagen wir auf dem Areal eine autofreie Modellsiedlung[1] vor, die in Ostbrandenburg bisher einzigartig wäre. Entwicklungsziel sollte eine Verbindung von Wohnen, Erholung, Bildung, Freizeit, Kultur und Gewerbe sein. Mit höchsten ökologischen und sozialen Standards bei der Planung und Realisierung dieses Vorhabens kann die Gemeinde einen weithin sichtbaren, beispielhaften Beitrag zum klimaneutralen Umbau unserer Gesellschaft leisten und zugleich wichtige Erfahrungen für die eigene weitere Ortsentwicklung erwerben – im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UNO sowie den Pariser Klimazielen.
Weniger Emissionen, mehr Lebensqualität
Kern unserer Empfehlung ist es, bei der verkehrlichen Erschließung des Quartiers weitgehend auf privaten Kfz- bzw. motorisierten Individualverkehr (MIV) zu verzichten. Dies ermöglicht die Einsparung eines Großteils derjenigen Infrastruktur, die in konventionellen Anlagen für die Bewältigung des Verkehrs erforderlich ist – in erster Linie breite Straßen und Pkw-Stellplätze. Dadurch kann die Flächenversiegelung drastisch reduziert und eine immense Steigerung der nahräumlichen Lebensqualität erreicht werden, durch die Minimierung von Lärm- und Abgasemissionen sowie die starke Steigerung der Verkehrssicherheit. Voraussetzung dafür sind selbstverständlich attraktive, saubere Mobilitätsalternativen.
Vision: Erschließung mit der Straßenbahn
Rückgrat der autofreien Siedlung sind deshalb eine unmittelbare Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie das zentral gelegene „MobiHub“. Der VCD Brandenburg empfiehlt, die ÖPNV-Erschließung des Quartiers langfristig per Straßenbahn zu gewährleisten.[2] Dafür ist, von der Dorfstraße durch die Straße An der Reihe kommend, entlang der Kastanienallee und schließlich an der nordwestlichen Grenze des Plangebietes eine entsprechende Vorhaltefläche auszuweisen, auf der eine zweigleisige Trasse mit geräusch- und versiegelungsarmen Rasengleisen sowie drei neuen Haltestellen realisierbar sind (siehe Abbildung unten). Bis dahin kann auf der Kastanienallee und der Tram-Vorhaltefläche eine dem ÖPNV vorbehaltene Fahrbahn für den Busverkehr hergestellt werden.
Nutzungsmix mit kurzen Wegen zu Wohnen, Sport, Kultur und Gewerbe
Nördlich der Kastanienallee bietet das Areal Platz für die bestehende Reitanlage sowie mittel- und langfristig benötigte Sportflächen. Südlich der Kastanienallee sollten die an das Naturschutzgebiet Weidensee angrenzenden Flächen einer reinen Wohnbebauung mit Geschosswohnungsbau in ökologischer Bauweise und mit einem möglichst hohen Anteil preiswerter Mietwohnungen vorbehalten sein. Auf Grund der peripheren Lage – durch die das Ortsbild insgesamt nur begrenzt beeinträchtigt wird – empfehlen wir, hier im Sinne eines geringen Flächenverbrauchs pro Kopf auch höhergeschossigen Wohnungsbau (3-5 Vollgeschosse) mit kleineren, etwa quadratischen Grundflächen zu erwägen. Im Wohngebiet sind – mit dem Ziel der kurzen Wege für die Bewohner*innen – eine Gemeinbedarfsfläche für eine Kindertagesstätte sowie ein Baufeld für Einzelhandel zur Grundversorgung vorzuhalten. Im südöstlichen Plangebiet (mit der höchsten Belastung durch den vorbeiführenden Durchgangsverkehr auf der Neuenhagener Chaussee) können Gebäude zur Nutzung durch Gewerbe- und Kultureinrichtungen entstehen (vgl. Abbildung unten). Wir empfehlen hier die Ansiedlung von Coworking-Räumlichkeiten, flexibel nutzbaren Ateliers etc., um eine wohnortnahe Beschäftigung der Bewohner*innen des Quartiers, aber auch weiterer in der Gemeinde ansässiger Personen zu ermöglichen.
Mehr Mobilität, weniger Verkehr
All diese Angebote werden nördlich durch den ÖPNV (Straßenbahn/Bus) angebunden. Südlich führt ein Stichweg zum zentral gelegenen „MobiHub“. Gemeint ist hiermit eine Mobilitätsstation, die den Quartiersbewohner*innen, dort Beschäftigten und Gästen eine Vielzahl von weiteren Verkehrsmitteln zur Nutzung bereitstellt. Dazu gehören ein Carsharing-Angebot mit verschiedenen Elektro-Fahrzeugen, ein Leihsystem für Lastenfahrräder sowie für Pedelecs. Diese ermöglichen flexible Individualmobilität zu denjenigen inner- und außerörtlichen Zielen/Anlässen, welche nicht per ÖPNV erreichbar sind. Konventionelle Pkw-Stellplätze für Gäste existieren im Quartier nur am südlichen Rand des Plangebiets (entlang der Straße Am Weidensee). Außerdem wird auf Stellplätze an den nördlich gelegenen Sportflächen noch nicht gänzlich verzichtet werden können. Diese sollten über eine Stichstraße von der Neuenhagener Chaussee erschlossen werden, damit kein Durchgangsverkehr mit Pkw über die Kastanienallee erfolgt. Diese ist als Fahrradstraße auszuweisen. Lediglich dem ÖPNV ist die Durchfahrt zu gewähren, solange dieser straßengebunden als Busverkehr angeboten wird.
Potsdam/Schöneiche bei Berlin, 31. Januar 2020
[1] Bundesweit gibt es inzwischen umfangreiche, positive Erfahrungen mit Vorhaben zur nachhaltigen Verbindung von Wohnen und Mobilität durch Reduktion des Kfz-Verkehrs im Quartier. Wir verweisen auf das Projekt „Wohnen leitet Mobilität“ des VCD-Bundesverbandes und hier insbesondere auf den Fundus von mehr als 20 Best-Practice-Beispielen aus ganz Deutschland sowie anderen europäischen Ländern. Siehe VCD (2019): Wohnen leitet Mobilität, URL: https://www.vcd.org/themen/wohnen-und-mobilitaet/gute-beispiele/ (Zugriff am 31.01.2020).
[2] Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unseren Vorschlag, den fehlenden Lückenschluss zwischen den SPNV-Achsen S3 und S5 durch eine neue Linie der Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn als Querverbindung zwischen S Berlin-Rahnsdorf – Schöneiche – S Neuenhagen anzulegen. Siehe VCD Brandenburg (2018): Mehr Straßenbahn wagen! Ein Diskussionsbeitrag zur Nahverkehrsplanung des Landkreises Oder-Spree, URL: https://brandenburg.vcd.org/fileadmin/user_upload/Brandenburg/Infothek/1809_Diskussionspapier_StrassenbahnLOS_VCDBrb.pdf (Zugriff am 21.12.2019).
Der Urheber dieses Beitrages ist ehrenamtlicher Landesvorsitzender des VCD Brandenburg. Mehr Informationen unter www.vcd-brandenburg.de.