Es gibt keine roten Schlaglöcher

Schöneiche wählt den Bürgermeister – für die LINKE kandidiert Erich Lorenzen (von Rainer Funke Quelle www.neues-deutschland.de)

Reichlich 26 Prozent der Stimmen bei der Kommunalwahl vor knapp vier Jahren und damit erstmals stärkste politische Kraft in Schöneiche – für die LINKE gehört dies zu den guten Gründen, bei der Bürgermeisterwahl am 22. April einen eigenen Kandidaten zu benennen: Dr. Erich Lorenzen, 54 Jahre alt und Vorsitzender der Gemeindevertretung.

Als Replik auf den derzeitigen Bürgermeister Heinrich Jüttner (parteilos, bislang auf Ticket der SPD), der allzu gern über den Politiker als solchen in seiner mehr oder weniger geschmähten Art öffentlich philosophiert und sich gern Dorfschulze nennen würde, bezeichnet sich Lorenzen selbstironisch als Feierabendpolitiker mit Hauskredit und Doktortitel. Obgleich das geliehene Geld von der Postbank stamme, habe deren Chef ihn noch immer nicht nach Mallorca eingeladen. Und seine Dissertation sei Resultat experimenteller Arbeit, Grundlagenforschung zum Verhalten von Tieren. Dabei könne man sich verrechnen, in Versuchsaufbauten verheddern, keineswegs aber abschreiben. All das prädestiniere ihn natürlich für das Bürgermeisteramt.

Schiebt man seine aktuellen spottpolitischen Bezüge beiseite, dann bleibt freilich: Lorenzen verfügt über reichlich Erfahrung in kommunalen Belangen. Er gehört seit neun Jahren der Gemeindevertretung an, leitete den Ausschuss für Ortsplanung und zählt zu den Gründern des Fachbeirates »Visionen für Schöneiche«. In dem ehrenamtlichen Gremium wird die anzustrebende Verfasstheit der Kommune erörtert, vor allem in wichtigen Aspekten wie Wohnen, Wirtschaft und Verkehr, die neue Ortsmitte, Kultur und Bildung, Ökologie, Generationen und anderes mehr.

Dass Jüttner nach 16-jähriger Regentschaft in der 12 250 Einwohner zählenden Gemeinde amtsmüde geworden sei, wie ihm nachgesagt wird, weist der Bürgermeister gegenüber »nd« zurück. Er lasse sich in der Gemeindevertretung nicht beschimpfen, meint er, ohne konkret zu werden. Das sei der Sinn seines Briefes an die Schöneicher Abgeordneten gewesen, in dem es hieß: »Alle diejenigen, die meine erneute Wahl verhindern, tun mir einen Gefallen.« Nun will der Amtsinhaber allein antreten – offenbar im Unreinen mit der einst ihn fördernden SPD. Ein Drittel aller Bürgermeister hierzulande seien unabhängige Einzelkandidaten. Warum nicht auch in Schöneiche, sagt Jüttner.

Die Ortschaft hat in seiner Amtszeit an Lebensqualität gewonnen. Nach 1990 sind rund 8000 Bürger hierher gezogen. Derzeit stehen im Amtsregister 1200 Gewerbe, mehr als je zuvor. Mit 900 Kindern verbringen beinahe doppelt so viele Sprösslinge den Tag in Kitas als noch vor ein paar Jahren. Letztere sind allesamt saniert oder neu gebaut worden. Straßenbahn, Kulturgießerei und Schlosspark konnten erhalten, Sportplätze und einige Straßen erneuert werden.

Das alles ist freilich nicht Werk eines Bürgermeisters allein, sagt LINKE-Kandidat Lorenzen. Denn dazu brauche man eine gut funktionierende Verwaltung und das Mitwirken der Gemeindevertretung. Auch das gepflegte Miteinander in derselben, denn es gehe nicht um weltpolitische Geschehnisse, sondern um ganz konkrete Bedürfnisse der Bürger. »Und dabei gibt es keine roten, schwarzen oder grünen Schlaglöcher in unseren Straßen.« Nach zwei Amtszeiten hintereinander wäre es aber wohl an der Zeit für ein neues Gesicht, für andere Ideen, größere Transparenz, intensivere Beteiligung der Bürger, für ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit. Da wäre eine Menge zu tun, denkt Lorenzen.

Beispiel: Anders als in früheren Jahren liegt Schöneiches Arbeitslosenquote deutlich unter der im Land Brandenburg und im Landkreis Oder-Spree. Da müsse man sich fragen, ob nicht indirekt Leute ohne Job aus dem Städtchen gedrängt werden, weil es hier viel zu teuer geworden ist. Für Lorenzen bleibt deshalb zu überlegen, ob etwa Gebühren für kommunale Leistungen nicht viel mehr vom Einkommen abhängig gemacht werden müssten. Auch in Schöneiche entwickelten sich Parallelgesellschaften, die immer weiter auseinander driften. Darüber und vieles andere müssten auch die Fraktionsvorsitzenden unter Regie des Bürgermeisters mehr miteinander reden. Das habe es lange nicht gegeben.

Man müsste zudem daran gehen, die Stromversorgung, die Leitungsnetze zu rekommunalisieren und gemeinsam mit den umliegenden Ortschaften eigene regionale Stadtwerke zu gründen. »Gemeinsam mit Neuenhagen, Woltersdorf, Erkner und vielleicht noch Rüdersdorf könnte das gelingen.« Darin sehe er ökologische Fortschritte, aber auch Möglichkeiten, die Bürger vor ständig steigenden Stromkosten zu bewahren und letztlich die Gemeindekasse zu entlasten.

Trotz steigender Geburtenzahlen werde die Gemeinde im Durchschnitt immer älter. Da sollten rechtzeitig Konzepte her, wie man würdevolles Altern organisieren kann, sich neue Formen des Wohnens und des Betreuens sowie eine veränderte Infrastruktur überlegen, und das bei vermutlich sinkenden Einnahmen der Kommunen.

Kandidaten dürfen sich bis zum 15. März bewerben. Neben Jüttner und Lorenzen haben dies bislang Karin Müller (SPD), Thomas Fischer (Grüne) und Oliver Scholz (Einzelkandidat, für das Bürgerbündnis) getan. Auch die NPD stellt sich mit Antje Kottusch zur Wahl. Man wirbt zu Sprechzeiten vor dem Rathaus mit populistischen Auslassungen für die nötigen Unterschriften. Und mancher Bürger bleibt dabei arglos. Denn dass hier die NPD auf Stimmenfang ist, erfährt man nicht. Auch nicht auf einem Flyer, der sich am Wochenende in den Briefkästen fand.

 

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