TTIP – Warum die FDP der linken Argumentation nicht folgt

Die Schöneicher Gemeindevertretung hat am 23.09.2015 eine Erklärung zu den geplanten internationalen Handelsabkommen TTIP, CETA und TiSA beschlossen. SPD, CDU und FDP stimmten dagegen. Warum?

Die FDP hat sich mit der linken Argumentation gegen das Freihandelsabkommen auseinandergesetzt und die drängendsten Fragen zum Thema TTIP beantwortet. Das linke Umfeld kritisiert fehlende Transparenz bei den Gesprächen sowie negative Auswirkungen des Abkommens auf soziale und ökologische Standards und schürt Ängste vor amerikanischen Lebensmitteln, Lobbyismus und Energie. Für die Liberalen ist klar: Nicht Angstmacherei wird hier gebraucht, sondern Aufklärung und eine sachliche Debatte.

Sind die Verhandlungen transparent und demokratisch?

Die Zivilgesellschaft wird vor und nach jeder Verhandlungsrunde eingehend von den Chefunterhändlern informiert und mit umfassender Dokumentation versorgt. Die Kommission hat auch eine Beratergruppe mit 15 Vertretern der Zivilgesellschaft eingesetzt.
Inzwischen informiert die EU-Kommission auf vielen Kanälen: Den Verhandlungsfortschritt vor und nach jeder Runde gibt sie den Mitgliedstaaten sowie dem Handelsausschuss des EU-Parlaments bekannt. In einem Stakeholder-Forum haben Vertreter von NGOs, Verbänden, Forschungszentren und anderen Institutionen während der Verhandlungen die Möglichkeit, ihre Anliegen, Erwartungen und Positionen zu präsentieren.
Darüber hinaus hat die EU-Kommission zahlreiche öffentliche Anhörungen organisiert und publiziert ihre Verhandlungspapiere recht umfassend online auf ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/
Hier von „geheim“ zu sprechen, ist lächerlich. Das Abkommen bedarf außerdem der Ratifizierung durch das EU-Parlament und den EU-Rat. Das wird von den linken Parteien verschwiegen, die so tun, als ob hier Exekutiv-Handeln „gewählte Parlamentarier bindet“. Ohne Zustimmung im EU-Parlament tritt das Abkommen aber nicht in Kraft.

Werden soziale und ökologische Regulierungen in der EU geschwächt?

Das Ziel des Abkommens ist die Liberalisierung der Handels- und Investitionsströme bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung hoher Umwelt-, Verbraucher und Sozialstandards. Das hat US-Präsident Barack Obama auf dem EU-USA-Gipfel im März nochmals deutlich betont.
Auch die Behauptung der linken Parteien, die Klauseln zum Investitionsschutz für die USA würden EU-Regulierungen schwächen, ist unbegründet. So stammen 50 Prozent aller aktuellen Investitionsschutzklagen von europäischen Unternehmen im Ausland. Beim Investitionsschutz geht es darum, Schadenersatz, beispielsweise bei entschädigungslosen Enteignungen, zu garantieren. Dabei ist es eine völkerrechtliche Errungenschaft, unabhängige Schiedsrichter einschalten zu können, statt vor möglicherweise befangenen nationalen Gerichten klagen zu müssen.
Deutschland hat über 130 solche Verträge abgeschlossen. Wer den Investitionsschutz abschaffen will, beschneidet auch die Rechte deutscher Unternehmen im Ausland. Ein Verzicht auf derartige Klauseln für die USA ist verständlicherweise auch nicht akzeptabel. Die materiellen Standards müssen daher so formuliert werden, dass das Recht auf Regulierung nicht angetastet wird – dann gibt es auch nichts zu befürchten.

Kommen Chlorhühner und Hormonfleisch in deutsche Läden?

FastfoodGentechnisch modifizierte Pflanzen dürfen in der EU zugelassen werden, wenn sie wissenschaftlich unbedenklich sind. Chlor oder Hormonbehandlung sind dagegen nicht gestattet. Ein Freihandelsabkommen hebt diese Verbote nicht auf. Die Kommission hat im EU-Parlament bereits verkündet, dass das Hormonverbot nicht angetastet wird – auch im Abkommen mit Kanada ist das nicht erfolgt. Die Angst vor dem Hormonfleisch wird künstlich erzeugt. Sie hat nichts mit den Verhandlungen zu tun!

Lassen transatlantische Regulierungsräte ohne Legitimation den Lobbyisten freien Lauf?

Nein. Es soll einen transatlantischen Rat für regulatorische Zusammenarbeit geben, um in Zukunft bei der Standardsetzung zusammenzuarbeiten. Das erfolgt heute bereits bei der Containersicherheit und Elektro-Autos. Demokratische Legitimation erhält der Rat als Vertragsgremium, das in der EU und den USA parlamentarisch ratifiziert werden wird. Mit der Logik der linken Parteien wäre auch die Generalversammlung der UNO nicht demokratisch legimitiert, da sie nur auf einem völkerrechtlichen Vertrag (der UN-Charta) beruht, den Deutschland ratifiziert hat.
Stiftung für die Freiheit: Argumente statt Polemik

Was ist mit Fracking und US-Erdgasimporten?

Offenbar meinen die linken Parteien, die EU sollte Gasimporte aus den USA boykottieren, weil es Bedenken gegen die Herstellungsmethode gibt. Ein Gasimportverbot gibt es in der EU allerdings nicht. Wenn TTIP in Kraft tritt, werden vielmehr die Exportbeschränkungen für Gas aus den USA aufgehoben. Dies verschafft der europäischen Industrie gleiche Wettbewerbsbedingungen. Das ist insbesondere für energieintensive Unternehmen enorm wichtig. Darauf zu verzichten, wäre industriepolitischer Wahnsinn und würde die Abhängigkeit Europas von Russland weiter steigern.

Fazit: Für Wohlstand, Beschäftigung und Bürgerrechte
Containerhafen – Handel mit der USADie EU und die USA machen zusammen die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung und ein Drittel des weltweiten Handels aus. Die Wachstumspotenziale einer gemeinsamen Freihandelszone sind dementsprechend hoch. So schätzt das Ifo Institut, dass das Realeinkommen in Deutschland in Folge eines transatlantischen Partnerschaftsabkommens langfristig um 4,7 Prozent steigen könnte. Eine umfassende Absenkung nichttarifärer Handelsbarrieren könnte zudem bis zu 110.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland sowie rund 400.000 in der EU insgesamt schaffen.

Die Liberalen sind überzeugt, dass die europäischen Bürger von einem offeneren US-Markt sehr profitieren würden. Gleiches gilt für die heimische Wirtschaft. Für die Verhandlungen mit den amerikanischen Partnern ist wichtig, dass die EU ihre Vorteile gut verkauft, darunter den Marktzugang zu 500 Millionen Verbraucher und verbesserten Zugang zu europäischen Qualitätsprodukten. Dieses Pfund muss Europa nutzen und auch Bürgerrechtsfragen bei den Verhandlungen zum Thema machen. Die FDP fordert, das Freihandelsabkommen mit einem transatlantischen Datenschutzabkommen zu verbinden.

Peter A. Pohle
Peter A. Pohle ist Gemeindevertreter (FDP) und Vorsitzender des Ortsentwicklungsausschuss der Gemeindevertretung Schöneiche bei Berlin.
Veröffentlicht in RSO

2 Gedanken zu „TTIP – Warum die FDP der linken Argumentation nicht folgt

  1. Stefan Brandes

    Wenn selbst der Präsident des Bundestags Lambert (CDU) mehr Transparenz fordert, ist da offensichtlich einiges im Argen. (Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/lammert-ttip-bundestag)

    Zitat: „Gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) halte Lammert den „bisherigen äußerst begrenzten Zugang über die jeweiligen US-Botschaften für indiskutabel – sowohl für die Regierung wie für das Parlament“.

    Mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei Lammert sich einig, dass die relevanten Verhandlungsdokumente, insbesondere Ergebnisse im Verhandlungsprozess, allen Mitgliedstaaten der EU und dort neben den Regierungen auch den Parlamenten zugänglich sein müssten, sagte Lambert.“

    Weder die Abgeordneten im Europaparlament, noch die im Bundestag haben Zugang zu den Vertragstexten. Sie sollen aber darüber abstimmen. Wie soll das sinnvollerweise funktionieren?

  2. Thomas Fischer

    Sehr geehrter Herr Pohle,

    vielen Dank für Ihre Klarstellungen. Es ist ja leider so, daß die TTIP-Gegner oftmals nur pauschale Polemiken äußern, die mit den Fakten zum Thema vielfach nichts zu tun haben. Natürlich kann man zu einzelnen Streitpunkten wie etwa den angeblichen „Geheimverhandlungen“ oder der „Paralleljustiz“ eine gesunde Skepsis an den Tag legen.

    Ich ich bin skeptisch, allerdings skeptisch gegenüber Diskutanten, für die ein „Chlorhühnchen“ der Inbegriff der chemischen Verseuchung Europas darstellt. Als ob der „typische Ami“ herzhaft in eine deutsche (!), mit Antibiotika getränkte Hühnerkeule beißen würde, die ja dann im Gegenzug in amerikanischen Supermärkten liegen würde.

    Ich bin skeptisch gegenüber Leuten, die in den „Geheimverhandlungen“ einen Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sehen. Als ob ich meine Absicht, mich demnächst vielleicht scheiden zu lassen oder in vertrauliche Gehaltsverhandlungen mit meinem Chef einzutreten, zuallererst bei Facebook o.ä. proklamieren würde, bevor ich den Anwalt meines Vertrauens zu Rate ziehe? Natürlich braucht es eine Vertraulichkeit, aber „Geheimverhandlungen“ klingt natürlich gleich viel besser nicht nur in den Augen und Ohren vieler Verschwörungstheoretiker.

    Ich frage mich, warum sehr viele TTIP-Kritiker geradezu reflex- und herzhaft ein regelrechtes USA-Bashing mit ihrer Kritik verbinden und teilweise ernsthaft als Alternative eine „Eurasische Wirtschaftsunion“ anbieten. Wollen wir wirklich in unseren Wirtschaftsbeziehungen als EU demnächst russische oder vielleicht gar chinesische Standards vereinbaren?

    Dies sollen nur wenige Argumente sein, die ich hier zu Ihrem Artikel beisteuern möchte, die wesentlichen Punkte haben Sie ja selbst herausgearbeitet, Herr Pohle.

    Als ich den Entwurf der Partei „DIE LINKE“ für die Gemeindevertretung gelesen habe, kam er mir in der Tat vor, als sollte hier wieder einmal ein eigentlich längst überlebter „Klassenkampf“ vom Zaun gebrochen werden. Hinzu kommt, daß dieser Entwurf schon längst durch aktuelle Entwicklungen überholt wurde, s.a. die Initiative der zuständigen EU-Kommisarin Malmström bezüglich der Bildung eines Internationalen Handelsgerichtshofs, der mit Berufsrichtern besetzt ist und ebenfalls eine Berufungsinstanz vorsieht.

    Kurzum, als Gemeindevertreter hätte ich diesen Entwurf ebenfalls abgelehnt, wobei darüberhinaus überhaupt fraglich ist, ob ein kommunales Gremium ohne jeglichen kommunalen Bezug zum TTIP-Vertragsgegenstand für eine derartige Beschlussfassung überhaupt zuständig ist. Auch daran sind sehr ernsthafte Zweifel angebracht.

    Freundliche Grüße,
    Thomas Fischer

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